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Linksmilitante Mentalitäten und mögliche Handlungsfolgen

 

Kommentar aus Kriminalistik 8-9/2020


Im Kontext der Black-Lives-Matter- Proteste in den USA schrieb Hengameh Yaghoobifarah, Autorin der Berliner „tageszeitung (taz)“ am 15.06.2020 in einer Kolumne mit dem Titel „ACAB: All cops are berufsunfähig“ der deutschen Polizei einen überdurchschnittlich hohen „Fascho-Mindset“ zu und wünschte sich die gesamte Berufsgruppe auf die Mülldeponie: „Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“ Yaghoobifarah trägt nicht erst mit diesem Machwerk zu einem im linksmilitanten Milieu gepflegten Zerrbild bei, das sich durch Differenzierungsverzicht, systematische Überzeichnung rechter Bedrohungs- und Gewaltpotentiale und Umdeutung sicherheitsbehördlicher Bekämpfungsdefizite in staatlichen Faschismus/Rassismus auszeichnet. Charakteristisch sind ihre Aussagen wie „Natürlich müssen Neonazis (und Nazis) auf die Fresse kriegen – das steht nicht zur Debatte“ („taz“ vom 18.08.2017 anlässlich eines rechtsterroristischen Angriffs auf eine linke Demonstration in Charlottesville/ USA). Nach dem im vergangenen Februar in Hanau verübten Anschlag eines xenophoben Lone-Wolf-Täters mit zehn Todesopfern ließ sich Yaghoobifarah über „all jene Kompliz_innen des Faschismus“ aus, die das Label „bürgerliche Mitte“ bevorzugten. Der Komplizenschaft wurden Friedrich Merz („Seine Strategie gegen rassistische Gewalt? Verstaatlichte rassistische Gewalt“) und Joachim Gauck („Toleranz für die AfD und ihre Anhänger_innen“) bezichtigt („taz“ vom 02.03.2020).


Solche Statements fügen sich zwanglos in Denkfiguren ein, mit denen linksmilitante Akteure ihr Gewalthandeln seit geraumer Zeit in Bekennerschreiben oder Beiträgen zu diversen „Militanzdebatten“ zu rechtfertigen suchen. So wird regelmäßig ein edler Endzweck („herrschaftsfreie Gesellschaft“) und ein Notwehrrecht gegen ein als groß- und massenverbrecherisch gedeutetes politisches und wirtschaftliches System („Mordmaschine“, „Capitalism kills“) in Anspruch genommen. Zur Feindbildpflege gehört, dass einem von Rechtsextremisten, Konservativen bis hin zu Grünen und nicht-militanten Linken reichenden und damit fast beliebig breiten Spektrum von politisch/weltanschaulichen Gegnern die Urheberschaft von oder Beteiligung an Großverbrechen – insbesondere Rassismus und Faschismus – unterstellt wird. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen werden dann konsequenterweise als strukturelle Gewaltverhältnisse ohne Raum für gewaltfrei gesellschaftsverändernde politische Arbeit dargestellt.


Politisch/weltanschauliche Gegner werden nicht nur moralisch abgewertet – bestimmte Feindgruppen, insbesondere Angehörige der rechten Szene und der Institutionen der inneren Sicherheit unterliegen auch einer konsequent gepflegten Dehumanisierung. Diese dient nicht nur der Selbstentlastung des Gewaltakteurs, sie kann manchmal auch der geplanten Gewalttat psychologisch den Weg ebnen. Damit einher geht oft ein systematisch verniedlichender, zynischer und menschenverachtender Sprachgebrauch: So können in militanten Positionspapieren ruhig schon mal „Pigs“ mit Knieschüssen „angekratzt“ oder „Faschos“ mit Brandsätzen die „Ärsche angegrillt“ werden. Eine aktuelle Variante, unlängst in der Mainzer Neustadt an einer Wand zu lesen, lautet: „Burn cops – not coal“. Mit ihrer Müll-Hetze hat sich Yaghoobifarah in die unmittelbare mentale Nachbarschaft solcher Verlautbarungen begeben.


Um nicht missverstanden zu werden: Es geht mitnichten darum, die Dringlichkeit von Themen wie Rechtsterrorismus/ rechter Gewalt, Bekämpfungsdefizite oder mögliche Herausbildung rechter Netzwerke in den Sicherheitsbehörden in Zweifel zu ziehen oder zu relativieren. Hier wäre allerdings Analyse statt obsessiver Rassismus-Unterstellung gefragt (der Verfasser hat bereits 1999 an einer der wenigen empirischen Studien zu fremdenfeindlichen Vorurteilsneigungen in der Polizei mitgearbeitet). Vor allem geht es um denkstrukturell typische Überzeichnungen und Zuspitzungen, die immer wieder auch der Legitimierung personenbezogener Gewalt gegen rechte Akteure und Polizeikräfte dienen können, insbesondere im konfrontationsträchtigen Handlungsfeld „antifaschistisch“ und „antirassistisch“ begründeter Militanz. Unter Letzterem versteht der Verfasser im Unterschied zu erwünschten zivilgesellschaftlichen Mobilisierungen planhaft-aufsuchend gewaltsames Vorgehen gegen Personen und Einrichtungen des rechten Spektrums, wobei sich private Gruppen unter Umgehung des rechtsstaatlichen Instrumentariums Bestrafungs- und Vergeltungsbefugnisse anmaßen – und mit derartigem Gebaren übrigens der rechten Szene ständig Selbstrechtfertigungsgewinne bescheren. Ein aktuelles Beispiel: Anlässlich eines Angriffs einer sich „einige Antifas“ nennenden Gruppe auf Angehörige der rechtsorientierten Betriebsgruppe „Zentrum Automobil“ am 16.05.2020 in Stuttgart erlitt „einer der Faschisten“ eine schwere Kopfverletzung. Der Angegriffene habe Schlagringe einsetzen wollen, was man „mit Härte“ habe verhindern müssen, so ein Positionspapier „Zur Frage antifaschistischer Gewalt“ vom 27.05.2020. Durchaus zutreffend heißt es zu den Unwägbarkeiten der Gewaltdynamik: Man sei nicht naiv: Jede körperliche Auseinandersetzung berge die Gefahr einer ungewollten Eskalation, der man sich u. U. in der konkreten Situation nicht mehr entziehen könne. Aber: Dieses Risiko sei man bereit einzugehen, weil es keine Alternative sein könne, der „Straßenpräsenz von Faschisten, die zwangsläufig zu enthemmter Gewalt und Mord führt, keine Grenzen zu setzen.“ Ziel der körperlichen Angriffe sei es, das öffentliche Auftreten von Faschisten so weit wie möglich zu unterbinden und den gesundheitlichen, organisatorischen und materiellen Preis („Schmerzen, Stress und Sachschaden“) in die Höhe zu treiben. Ein solcher Wirkungsgrad politischer Gewalt erfordere „keine gezielten schweren/tödlichen Verletzungen“. Dies allerdings nicht aus grundsätzliche Erwägungen heraus, sondern nur „momentan nicht“, weil man als Bewegung noch nicht stark genug sei, dieses Level „in größeren Teilen und auf lange Sicht zu halten“ – und wegen des zu erwartenden Repressionsdrucks. Wenn aber der „faschistische Mob“ wachse und sein Organisationslevel steige, könnten „andere Kampfformen“ notwendig werden. Die „Gefahr für Migrant*innen, Linke und andere Feinde der Faschisten“ sei „aktuell und tödlich“.


Offenbar gibt es Szeneangehörige, die mit derartigen Bedrohungswahrnehmungen jetzt schon Handlungsbedarf sehen. Im eher beschaulichen Mainz sind auf den Fensterbänken einer Shisha-Bar die Sprüche „AfD wählen ist ‘33 – Fuck Nazis“ und daneben „Nazis töten ist ethisch vertretbar“ zu lesen. Über die Verhaltensrelevanz solcher Bekundungen lassen sich schwerlich Aussagen treffen. Fest steht aber zum einen, dass Diskurse über die „Legitimität der Tötung von Faschisten“ in der Szene nicht zum ersten Mal geführt werden. Diese gab es schon Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre. Zum anderen lassen sich im Vergleich zum rechten Aufkommen zwar viel geringere, aber dennoch wahrnehmbare Tötungsbereitschaften an der Zahl der polizeilich registrierten versuchten Tötungsdelikte ablesen – laut PMK-Erfassung 2001–2019 immerhin 62 Fälle, bei zu vermutender Untererfassung. Diese Delikte waren – wie auch das gesamte Gewaltaufkommen des linken Phänomenbereichs – mehrheitlich gegen Polizeikräfte und gegen rechte Personen gerichtet. Dabei steht bei der rechts/links-vergleichenden Betrachtung des Gewalthandelns das massive rechte Übergewicht bei terrorismusrelevanten Fällen, vollendeten Tötungsdelikten und sonstigen lebensbedrohlichen Handlungsweisen völlig außer Frage.


Selbstreflexion über mögliche Handlungsfolgen eliminatorischer Hetze scheint Aktivisten wie Yaghoobifarah fern zu liegen. Zum einen wurde das Desinteresse an rechtsstaatlich fundierter Bekämpfung rechter Gewalt bereits offensiv bekundet: Die Autorin sieht offenbar im Programm „Nazis klatschen“ („taz“ vom 18.08.2017) die Alternative. Zum anderen hat sie sich angesichts äußerst kritischer Kommentare, auch aus der „taz“-Redaktion und der Leserschaft, der rigorosen Diskussion schlichtweg entzogen. Seit ihrer Müll-Kolumne erschienen bereits zwei Texte zum unverfänglichen Thema des identitätspolitisch korrekten Kleidungsstils.


Es wäre zu wünschen, dass politische und mediale Akteure die hier angeführten Mentalitäts- und Handlungsrepertoires mit in ihr Urteil einbeziehen, bevor sie sich ohne weitere Differenzierung mit „der Antifa“ solidarisieren oder „der Polizei“ strukturellen Rassismus unterstellen.


Matthias Mletzko, Politikwissenschaftler in Mainz,
Mitarbeit an mehreren Forschungsprojekten zu rechterund linker Gewalt


Verlag C.F. Müller

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