Aktuelle Ausgabe 3/2025
Beiträge
Catharina Vogt / Stefanie Giljohann
Fallkonferenzen im Rahmen des Hochrisikomanagements bei häuslicher Gewalt
Manfred Paulus
Sexuelle Gewalt an Kindern
Wie "Opferschutz" Täter schützt und eine Anzeigepflicht Kinder schützen würde
Anja Holzer / Kai Cornelius / Dirk Labudde
Die "Gefahren" der Verwendung von 3D-Techniken im Strafverfahren
Harry Jäkel / Holger Roll
Effektive Brandermittlung durch Forschung?
Eine Analyse der kriminalistischen Forschung zu Branddelikten - Teil 1
Andreas Ruch
Beschlagnahme und Auswertung von Mobiltelefonen
Die Entscheidung des EuGH vom 4.10.2024
Fabian Wegmann
Russische Spionage- und Sabotageoperationen
Gegenwärtige Herausforderungen für die polizeiliche Arbeit
David Zekhariafamil
Irans hybrides Bedrohungspotential
Die Strategie der extraterritorialen Operationen
Recht aktuell
Jürgen Vahle
Zur Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
OLG Hamm, Urt. v. 27.6.2023 - 4 ORs 46/23
Jürgen Vahle
Entbindung eines Berufsgeheimnisträgers von Schweigepflicht
LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 8.5.2024 - 12 Qs 2/24
Jürgen Vahle
Zum Beweiswert der Haltereigenschaft
BVerfG, Beschl. v. 17.5.2024 - 2 BvR 1457/23
Jürgen Vahle
Zum Anfangsverdacht wegen der Weitergabe jugendpornographischer Inhalte
BVerfG, Beschl. v. 21.10.2024 - 1 BvR 2215/24
Kriminalistik - Schweiz
Monika Egli-Alge / Valentino Ciurlia
Wirksamkeit deliktpräventiver Therapie
Rückfallprävention bei Sexualdelinquenz gegen Kinder und Jugendliche
Kriminalistik-Campus
Alexander Fläschner
Der digitale Zwilling
Betrachtung einer möglichen Schlüsseltechnologie in der Ermittlungsarbeit mittels SWOTAnalyse
Robert Marten
Ausreiseuntersagungen als Mittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus
Anwendungsbereich und Grenzen
Literatur
Joachim Faßbender
Nadja Capus/Cornelia Griebel/Ivana Havelka, Sprachmittlung in der geheimen Kommunikationsüberwachung
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Beiträge
Catharina Vogt / Stefanie Giljohann
Fallkonferenzen im Rahmen des Hochrisikomanagements bei häuslicher Gewalt
Das Inkrafttreten der Istanbul-Konvention in Deutschland erfordert die Durchführung von Gefährdungsanalysen und behördenübergreifender Zusammenarbeit bei Hochrisikofällen häuslicher Gewalt. Dieser Artikel gibt einen Überblick über kritische Aspekte, welche im Rahmen von Forschungsprojekten zu häuslicher Gewalt (v.a. IMPRODOVA und IMPROVE) an der deutschen Hochschule der Polizei identifiziert wurden und die hierbei mitgedacht werden sollten. Der Fokus liegt im Folgenden auf der Umsetzung der Risikoanalyse, Fallkonferenzen, des Gefährdungsmanagements und der Netzwerkarbeit.
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Manfred Paulus
Sexuelle Gewalt an Kindern
Das Bundeskriminalamt (BKA) vermeldet für 2023 einen erneuten Anstieg bei Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern und gibt mit 55 % einen auffälligen Anteil an Opfern mit nachweislichen Vorbeziehungen zu dem oder der Tatverdächtigen an. Das BKA sieht in dem Anstieg einen Hinweis auf die verstärkte polizeiliche Arbeit und damit einen Erfolg in der Aufhellung eines Teils des Dunkelfeldes. Wie diese Bemühungen durch die geltenden gesetzlichen Regelungen zum Opferschutz beschränkt werden bzw. welcher gesetzliche Nachbesserungsbedarf besteht, um diese zu unterstützen, zeigt der nachfolgende Beitrag auf.
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Anja Holzer / Kai Cornelius / Dirk Labudde
Die "Gefahren" der Verwendung von 3D-Techniken im Strafverfahren
Auf dem am 24./25.10.2024 veranstalteten Workshop "3D trifft 3R" der Arbeitsgemeinschaft Forensische Bildgebung (AGFB) wurden verschiedene Programme, wie z.B. OpenPose, OpenCV, Blender (für Tatortrekonstruktionen und biometrische Skelettierungen) oder Virtopsy (für Dokumentation von Verletzungsmustern) und dazugehörige Hilfsmittel (wie z.B. terrestrische Laserscanner, "Augmented"- und "Virtual-Reality"-Hardware) vorgestellt. Der folgende Beitrag zeigt daran anknüpfend auf, welche "Gefahren" sich bei der Bildgebung mittels 3D-Technik aus strafprozessualer Hinsicht ergeben können und wie vor dem Hintergrund der freien richterlichen Beweiswürdigung der Spagat zwischen Visualisieren und Suggerieren gelingen kann.
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Harry Jäkel / Holger Roll
Effektive Brandermittlung durch Forschung?
Brandstiftungen sind im gesamtgesellschaftlichen Kontext aufgrund des Gefahrenpotentials für Menschen und Sachwerte, der ökologischen und ökonomischen Folgen ein Phänomen von großer sicherheitspolitischer Bedeutung. Im ersten Teil des zweiteiligen Beitrags wird der Versuch unternommen, ausgewählte nationale und internationale Forschungspublikationen aus dem Bereich der Kriminalistik auszuwerten und deren wesentliche Erkenntnisse zusammenfassend darzustellen. Schwerpunkte sind dabei Kriterien zur Zuordnung von Delikten zu Serienstraftaten bei Branddelikten, Ansätze zur Ableitung von Täterprofilen (i.S.v. Criminal- und Geographical Profiling) sowie im zweiten Teil mathematisch-statistische Verfahren und kriminologische Veröffentlichungen zu Klassifizierungsmodelle von Brandstiftern. Daraus ableitend werden offene Forschungsfragen entwickelt und mögliche Forschungsideen, die dazu dienen sollen, Interessenten und mögliche Partner für ein Forschungsprojekt zu finden.
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Andreas Ruch
Beschlagnahme und Auswertung von Mobiltelefonen
Der EuGH hat mit Urteil vom 4.10.2024 die Anforderungen an den polizeilichen Zugriff auf Mobiltelefone und die auf den Geräten gespeicherten Daten spezifiziert. Nicht zu beanstanden ist nach dem Luxemburger Urteilsspruch, dass die Geräte bereits beim Anfangsverdacht eines Vergehens beschlagnahmt und ausgewertet werden dürfen. Zugleich betont der Gerichtshof die Sensibilität der auf den Geräten gespeicherten personenbezogenen Daten und fordert, dass das Schutzniveau für Betroffene gesetzlich präzise ausformuliert und der Zugriff einer umfassenden vorherigen gerichtlichen Kontrolle unterworfen wird. Die wesentlichen Aspekte der Entscheidung werden in diesem Beitrag hervorvorgehoben und die rechtlichen und praktischen Auswirkungen werden aufgezeigt.
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Fabian Wegmann
Russische Spionage- und Sabotageoperationen
Seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine haben russische Nachrichtendienste ihre Aktivitäten in Europa stark intensiviert. Durch umfangreiche Desinformationskampagnen, Spionageaktivitäten, Sabotagehandlungen und Staatsterrorismus gefährden diese nicht nur die Sicherheit und Stabilität, sondern stellen die Polizeibehörden des Bundes und der Länder infolgedessen vor bislang ungeahnte Herausforderungen. Eine Analyse der aktuellen Modi Operandi russischer Dienste kann dabei helfen, die neuen geopolitischen Realitäten, deren Implikationen weit über den Deliktsbereich der politisch motivierten Kriminalität hinausragen, einzuordnen.
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David Zekhariafamil
Irans hybrides Bedrohungspotential
Die zunehmenden Spannungen im Nahen Osten, insbesondere die Gefahr einer Eskalation zwischen Israel und dem Iran, werfen ein Schlaglicht auf Irans extraterritoriale Operationen und verdeckte Kriegsführung. Im Zentrum steht Irans "Tit-for-Tat"-Strategie ("Wie du mir, so ich dir"), die bewusst unterhalb einer militärischen Eskalation bleibt. Diese umfasst die Unterstützung von Milizen, Spionage, Cyberangriffe und gezielte Tötungen, auch in Europa. Der Iran verfolgt langfristig das Ziel, Gegner wie die USA und Israel zu zermürben sowie seine regionale Macht zu festigen. Trotz interner Machtkämpfe bleibt die Stabilität des Regimes oberstes Ziel, unterstützt durch Geduld und strategisches Kalkül.
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Recht aktuell
Jürgen Vahle
Zur Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
OLG Hamm v. 27.6.2023 - 4 ORs 46/23
1. Das Totenkopfsymbol und die doppelte Sig-Rune sind Uniformabzeichen der SS-Verbände der NSDAP und damit Kennzeichen von verfassungswidrigen Organisationen.
2. Die weite Fassung des § 86a StGB erfordert eine Restriktion des Tatbestands in der Weise, dass solche Handlungen, die dem Schutzzweck der Norm eindeutig nicht zuwiderlaufen oder sogar in seinem Sinne wirken, nicht dem objektiven Tatbestand unterfallen. Dies ist für Fälle anerkannt, in denen das Kennzeichen in einer Weise dargestellt wird, die offenkundig gerade zum Zweck der Kritik an der verbotenen Vereinigung oder der ihr zugrunde liegenden Ideologie eingesetzt oder erkennbar verzerrt, etwa parodistisch verwendet wird.
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Jürgen Vahle
Entbindung eines Berufsgeheimnisträgers von Schweigepflicht
LG Nürnberg-Fürth v. 8.5.2024 - 12 Qs 2/24
1. Die Entbindung eines Berufsgeheimnisträgers von der Schweigepflicht ist unteilbar; der Hauptberufsträger und seine mitwirkenden Personen können nur gemeinsam entbunden oder nicht entbunden werden.
2. Die Entbindung des Berufsgeheimnisträgers von der Schweigepflicht wirkt auch für diese weiteren Personen.
3. Eine GmbH als solche kann als juristische Person nicht Zeuge kann; ihr steht ein Zeugnisverweigerungsrecht von vornherein nicht zu, so dass sich die Frage nach einer Beschlagnahmefreiheit unter diesem Blickwinkel nicht stellt.
4. Nicht verdächtigen Betroffenen ist zumindest vor der Vollstreckung einer Durchsuchungsmaßnahme Gelegenheit zur freiwilligen Herausgabe des sicherzustellenden Gegenstandes zu geben. Diese Abwendungsbefugnis ist regelmäßig in die Anordnungsentscheidung aufzunehmen, so dass dem herausgabewilligen Dritten der Eingriff der Durchsuchung erspart werden kann. Die Gewährung einer Abwendungsbefugnis kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Betroffene zur freiwilligen Mitwirkung nicht bereit ist und Verdunkelungsmaßnahmen zu besorgen sind.
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Jürgen Vahle
Zum Beweiswert der Haltereigenschaft
BVerfG v. 17.5.2024 - 2 BvR 1457/23
Allein aus dem Umstand, dass jemand Halter eines Pkw ist, darf bei regelwidrigem Abstellen des Fahrzeugs nicht auf die Täterschaft des Halters geschlossen werden.
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Jürgen Vahle
Zum Anfangsverdacht wegen der Weitergabe jugendpornographischer Inhalte
BVerfG v. 21.10.2024 - 1 BvR 2215/24
In einem frühen Stadium der Ermittlungen wegen des Verdachts der Verbreitung oder des Besitzes jugendpornographischer Inhalte (§ 184c StGB) ist es für die Annahme eines Anfangsverdachts verfassungsrechtlich ausreichend, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die in einem pornographischen Video abgebildete Person jünger als 18 Jahre alt ist; ein höherer Verdachtsgrad wie etwa eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit oder gar eine Schuldüberzeugung sind nicht erforderlich.
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Kriminalistik Schweiz
Redaktion: Schweizerische Kriminalprävention, Chantal Billaud
Monika Egli-Alge / Valentino Ciurlia
Wirksamkeit deliktpräventiver Therapie
Weltweit werden 15-20 % der Mädchen und 8 % der Jungen Opfer von sexuellem Missbrauch (Niehaus et al., 2020). Nicht alle Täter weisen jedoch eine sexuelle Präferenzbesonderheit für kindliche Körper auf (Beier, 2018). Etwa 1 % der Männer ist pädophil (Seto, 2019). Tertiärpräventive Therapien wie diejenige der forio AG zielen auf Rückfallprävention ab. Eine Evaluation mit forio-Klienten zeigte eine Rückfallrate von knapp 2 %. Signifikante Gruppenunterschiede ergaben sich bezüglich Schulabschluss und Therapiesetting. Die niedrige Rückfallrate deutet auf die Wirksamkeit der Interventionen hin.
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Kriminalistik Campus
Alexander Fläschner
Der digitale Zwilling
Der Bundesverband der Deutschen Industrie definiert Schlüsseltechnologien als grundlegende Komponenten wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Transformationsprozesse. Übertragen auf die Polizei könnte der sog. "Digitale Zwilling", eine digitale Abbildung eines physischen Objekts, eine solche Schlüsseltechnologie sein. Der Beitrag untersucht diese Technologie und deren Implikationen für die polizeiliche Aufgabenbewältigung und Organisation. Der Verfasser zielt hier u.a. auf Tatortarbeit und der Rekonstruktion eines solchen ab, indem verschiedene Datenquellen integriert werden, aber auch der Planung von taktischen Einsätzen und Notfällen. Im Ergebnis zeigt der Autor, dass der Digitale Zwilling als eine Schlüsseltechnologie für die Polizei gelten könnte. Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine überarbeitete Fassung einer Hausarbeit im Fach Kriminalistik an der Deutschen Hochschule der Polizei.
(Redaktion: KD André Malick)
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Robert Marten
Ausreiseuntersagungen als Mittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus
Der den bundesdeutschen Extremismen innewohnende internationale Aspekt wird zugunsten der Betrachtung der nationalen Belange häufig unterschätzt. Dabei sorgen die internationale Vernetzung und die Teilnahme an internationalen Veranstaltungen, wie hier am Beispiel des Rechtsextremismus aufgezeigt, für vielfältige Implikationen mit Auswirkungen auf die Sicherheitslage im Ausland, in Deutschland aber auch auf das internationale Ansehen Deutschlands. Gerade Rechtsextremisten profitieren in diesem Kontext von einer abweichenden Gesetzgebung, welche es ihnen z.B. ermöglicht, ihre rechtsextreme Ideologie im Ausland einfacher zu verbreiten. Ferner trägt die Vernetzung und Kooperation der internationalen rechtsextremistischen Szene und damit verbundene Solidarisierungseffekte zur Verschärfung der Sicherheitslage in Deutschland bei, um nur einige Auswirkungen zu benennen. Die Ausreiseuntersagung kann sich hier als wirksames Mittel der Bekämpfung des Rechtsextremismus erweisen, sofern ausreichende Erkenntnisse für eine Gefährdungsprognose und die Begründung dieses Verwaltungsaktes vorliegen und dargelegt werden. Eine anwendungsorientierte Betrachtung zur Ausreiseuntersagung im Kontext des Rechtsextremismus liefert die nachfolgende, im Rahmen des Masterstudiengangs "Öffentliche Verwaltung - Polizeimanagement" entstandene Hausarbeit.
(Redaktion: Joachim Faßbender)
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Literatur
Joachim Faßbender
Nadja Capus/Cornelia Griebel/Ivana Havelka, Sprachmittlung in der geheimen Kommunikationsüberwachung
Forum für Fachsprachen-Forschung, Band 168, Frank & Timme GmbH, 2024, ISBN 978-3-7329-1095-3, 252 Seiten, 39,80 Euro.
Die von kultureller Vielfalt geprägten westlichen Gesellschaften wie auch die zunehmende Internationalität vielfältiger Erscheinungsformen der Kriminalität führen zu einer weiterhin zunehmenden Bedeutung der Sprachmittlung in kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren. Beide Umstände führen zu einer dauerhaft großen Anzahl von Ermittlungsverfahren, bei denen der Einsatz von Sprachmittlern notwendig ist und damit zu einer hohen finanziellen Belastung der Ermittlungsbehörden, aber auch zu vielfältigen Problemstellungen, wenn etwa seltene Sprachen bzw. Dialekte übersetzt werden müssen.
Neben diesen grundsätzlichen Herausforderungen stellen häufig unzureichende Kenntnisse über den eigentlichen Translationsprozess und die damit verbundenen Implikationen ein kritisches Moment in der Verfahrensführung dar. Die in der Rechtsprechung etablierte Differenzierung eines wortwörtlichen Sprachtransfers als grundlegende Transferleistung im Ermittlungsverfahren und der Aufgabe eines (Sprach-)Sachverständigen, die in der Erläuterung, Ergänzung und sprachlich kulturellen Beurteilung der wortwörtlichen Übertragung besteht, ist letztlich manifestierter Ausdruck dieses Mangels (vgl. Schl.-Holst. OLG 1. Strafsenat 2015; OLG Hamm 4. Strafsenat 2019; OLG Stuttgart 1. Strafsenat 2019; OLG Stuttgart 4. Strafsenat 2020; Griebel 2024).
Gleichzeitig bleibt die Bedeutung von Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern im Ermittlungsverfahren und damit verbunden der kriminalistische und forensische Anteil ihrer Arbeit oft genug unerkannt, was zu Intransparenz in der Dokumentation der Ermittlungsverfahren führen und ein hohes Risiko für die Verfahrensführung darstellen kann. Im Ergebnis können Ermittlungsergebnisse angezweifelt werden und wesentliche verfahrensrelevante Umstände unberücksichtigt bleiben.
Diesen und weiteren Aspekten widmete sich das multidisziplinäre vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Forschungsprojekt "Geheime Kommunikationsüberwachung mit Sprachmittlerinnen und -mittlern" (SNF-Projekt Nr. 184896, Dezember 2019 bis August 2023), dessen Ergebnisse im vorliegenden Band besprochen werden. Dieses wissenschaftlich bislang nur unzureichend beleuchtete Themenfeld wurde unter Beteiligung von Vertreterinnen der Translationswissenschaften, Rechtswissenschaften, Soziologie und Linguistik untersucht. Dazu wurden, beschränkt auf die Sprachmittlung bei der Kommunikationsüberwachung in der Schweiz, die Tätigkeit der Sprachmittlerinnen und Sprachmittler, die Bedeutung ihrer Tätigkeit und der erstellten Produkte für die kriminalpolizeilichen Ermittlungen und das Hauptverfahren, ihre Qualifikation und der Rechtsrahmen, in welchem ihre Tätigkeit stattfindet, beleuchtet.
Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt in sechs Kapiteln, welche durch ein weiteres, der Beschreibung künftiger Rollenbilder gewidmetes, ergänzt wird. Ein Inhaltsverzeichnis und ein ausführliches Sachregister ermöglichen eine sehr gute Übersicht und eine schnelle Navigation in den Ausführungen. Das erste Kapitel enthält einen Unterabschnitt mit einem Glossar, welches dem besseren Verständnis der späteren Ausführungen aber, auch der Spezifizierung uneinheitlich verwendeter Begriffe dient. Wie die spätere Lektüre zeigt, hätte ein kapitelübergreifendes Glossar, welches insbesondere auch sprachwissenschaftliche Begriffe erläutert, die Verständlichkeit erleichtert.
In der Einführung beschreiben die Autorinnen in der gebotenen Kürze das den späteren Ausführungen zugrunde liegende Projekt, skizzieren namentlich eine der zentralen Problemstellungen - die Sichtbarkeit der Tätigkeit der Sprachmittlerinnen und Sprachmittler für die Verfahrensbeteiligten - und den in der Sprachmittlung eingesetzten Personenkreis.
Im zweiten Kapitel zu den rechtlichen Rahmenbedingungen wird die Dienstleistung der Sprachmittlerinnen und Sprachmittler getrennt nach "Ermittlungszweck" und "Beweiszweck" dargestellt. Diese Unterteilung erweist sich als äußerst zweckmäßig für die weitere Darstellung, erlaubt sie doch die von dem Einfluss auf das Ermittlungsverfahren getrennte Betrachtung der strafprozessualen Beweisgewinnung. Bereits in diesem Kapitel wird die Diskrepanz der tatsächlich eingenommenen zu der ihnen durch die Rechtsprechung zugewiesenen Rolle der Sprachmittlerinnen und Sprachmittler und die daraus erwachsende mangelnde Transparenz im gesamten Erkenntnisverfahren deutlich.
Einen herausragenden Mehrwert und zentrales Element für die Gesamtbetrachtung bildet die Darstellung des Translationsprozesses in der Kommunikationsüberwachung (und darüber hinaus), welche das Werk zur Pflichtlektüre für jeden Ermittlungsbeamten und jede Ermittlungsbeamtin macht, wird hier doch die Gesamtheit und der Einfluss der für den Translationsprozess relevanten Aspekte auf Grundlage einer sprachwissenschaftlichen Analyse dargestellt und damit die Komplexität des Translationsprozesses, aber auch der Einfluss auf das Strafverfahren und damit die Verantwortung der Sprachmittlerinnen und -mittler, verdeutlicht. Mittelbar folgen daraus auch die mit einer KI gestützten Sprachmittlung einhergehenden Problemstellungen.
In den folgenden Kapiteln werden die gewonnenen Erkenntnisse bezogen auf die Produkte der Sprachmittlung, ihre Reliabilität und notwendige Kompetenzen vertieft und um weitere Gesichtspunkte ergänzt.
Die Veröffentlichung zur "Sprachmittlung in der geheimen Kommunikationsüberwachung" schließt eine für das Erkenntnisverfahren bedeutsame Forschungslücke und stellt nicht nur durch den erfolgreich umgesetzten interdisziplinären Ansatz einen Meilenstein in der Betrachtung der Sprachmittlung im Erkenntnisverfahren dar. Mit der vorgenommenen Strukturierung des Betrachtungsfeldes, der differenzierten und zugleich dezidierten Darstellung des Translationsprozesses und den daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen für das Berufsbild der in der Sprachmittlung tätigen Personen sowie für die Aus- und Fortbildung der Ermittlungsbeamtinnen und -beamten werfen die Autorinnen ein Schlaglicht auf zentrale Problemstellungen nicht ohne zugleich Lösungsansätze zu formulieren.
Die bislang unzureichende Beachtung des Translationsprozesses und weiten Spektrums der translatorischen Tätigkeit tangiert das Fairnessprinzip im Strafverfahren gem. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) und Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und kann den Ermittlungserfolg gefährden. Darauf beruhende Informationslücken und Fehlentscheidungen im Ermittlungsverfahren sowie Qualitätsmängel in den erzeugten Produkten können zu enormen Folgekosten, zu Beweismittelverlust und zu gerichtlichen Fehlentscheidungen führen. Ferner weisen die Ergebnisse auf besondere Herausforderungen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz für die Sprachmittlung hin.
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes sollten daher als fester Bestandteil der Aus- und Fortbildung in der Kriminalpolizei und Justiz Berücksichtigung finden!