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Altersstrafrecht gegen Alterskriminalität?

Editorial der Ausgabe Mai 2021

Editorial der Ausgabe Mai 2021

Verehrte Leserinnen und Leser,

die Erscheinungsformen der Kriminalität unterscheiden sich in vielfältiger Form, vor allem hinsichtlich Delikten, Tätern, Opfern, Geschlecht und Nationalität. Eine genauere Analyse der Entwicklungen ermöglicht vor allem die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) mit der jährlichen Fortschreibung. In den Pandemiejahren wird die Bewertung und Vergleichbarkeit in den Zeitreihen neben den immanenten Schwächen aber weiter eingeschränkt, ähnlich wie in den Jahren nach der Wende oder bei größeren Umstellungen in den Erfassungsmodalitäten. Bei der Vorstellung der PKS 2020 am 15. April 2021 wies der IMK-Vorsitzende Thomas Strobl zurecht darauf hin, dass sich die Auswirkungen der Pandemie auch in der Entwicklung der Kriminalität zeigten, z.B. einer Zunahme von Delikten im Cyberraum (siehe Aktuelles). Allein betrügerische Anträge von Corona-Soforthilfen ließen beim Subventionsbetrug die Fallzahlen von 318 in 2019 auf 7585 in 2020 ansteigen. Der Rückgang von Wohnungseinbrüchen um weitere 14 Prozent ist sicherlich ganz überwiegend auf verminderte Abwesenheit der Bewohner zurückzuführen und eher weniger auf polizeiliche Erfolge.

Auch Altersgruppen unterscheiden sich in ihrem delinquenten Verhalten. Den spezifischen Problemen der Adoleszenz wird man mit einem Jugendstrafrecht gerecht: „Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.“ (§ 2 Abs. 1 JGG). Auch angesichts der demografischen Entwicklung kommt hin und wieder die Frage auf, ob für Menschen ab 60 ebenfalls ein Sonderstraf- und -verfahrensrecht sinnvoll wäre. Ausgehend von einem Beitrag in der Kriminalistik vor zehn Jahren (Schützel, 7/2011, S. 435 ff.) überprüft Dr. Frank-Holger Acker, was sich seitdem (nicht) getan hat. Er fasst den heutigen Stand wissenschaftlicher Forschung zusammen und plädiert für spezialisierte Sachbearbeiter und Dienststellen, wie sie im Jugendbereich selbstverständlich sind. Die Diskussionen werden schon allein deshalb im Keim erstickt, weil man sich nicht Stigmatisierungs- und Ausgrenzungsrisiken aussetzen möchte. Als „alter weiser Mann“ kann man aus Eigeninteresse nur hoffen, dass ein wie auch immer geartetes Altersstrafrecht nicht wie im Jugendstrafrecht dem Erziehungsgedanken folgen würde.

Den Umgang mit transnationalen Konflikten im Rahmen polizeilicher Präventionsarbeit in Hessen beschreibt Erdogan Karakaya anhand eines Fallbeispiels türkischer Nationalismen. Eine Planungs- und Reflexionsstruktur für das gewaltreduzierende Einsatzmodell für Beamte im Streifendienst stellen Prof. Dr. Dr. Mario S. Staller, Prof. Dr. Swen Koerner und Benjamin Zaiser vor. Sandra Reinhold, Dr. Dahlnym Yoon und Prof. Dr. Lennart May präsentieren ein interaktives Vernehmungstraining. Die sehr speziellen Anforderungen von Ermittlern im Zusammenhang mit dem „leisen Tod“ durch Kohlenmonoxidvergiftung sind Gegenstand einer Fallschilderung von Ralf Schmitt und Andreas Mayer. In Kriminalistik-Campus befasst sich Thorsten Kleinschmitt mit aktuell wieder ins mediale Rampenlicht gerückte Scheineheschließungen als Modus Operandi moderner Schleusernetzwerke. Andreas Kruse widmet sich den Möglichkeiten und Grenzen der Bekämpfung offener Drogenszenen in Lübeck, die sich auch in anderen Städten wieder zu etablieren scheinen.

Ihr
Bernd Fuchs
Chefredakteur


Verlag C.F. Müller

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