Logo C.F. Müller
Ausgabe Dezember 2021

Dezember 2021

Fachartikel

Sicherheitsgefühl

Kriminalitätsfurcht im Internet
Zur Übertragbarkeit etablierter Erklärungsansätze auf den digitalen Raum
Von Dario Leonetti und Alexander Werner
 

Extremismus

Stochastischer Terrorismus, enthemmte Sprache und extremistische Narrative
Von Prof. Dr. Stefan Goertz
 

Prävention

Radikalisierungsprävention als Evaluationsgegenstand
Ein Kampf der Paradigmen?
Von Dr. Michail Logvinov
Literaturverzeichnis (PDF-Download)

Wie ticken Medien? – Chancen für die Präventions- und Opferarbeit nutzen!
Von Kirsten Baumbusch und Günther Bubenitschek 
 

Vernehmung

Vernehmungsfortbildung der Polizei im Vergleich mit außerbehördlichen Angeboten
Eine Befragung polizeilicher und außerbehördlicher Ausbilder
Von Lisa Stegemann und Lisa Marie Kluth
 

Strafverfahrensrecht

Verwertbarkeitsfragen bei Ermittlungsmaßnahmen, die nur beim Verdacht bestimmter Straftaten zulässig sind
Von Marco Mayer
 

Flugsicherheit

„Sky Marshals“
Zur historischen Entwicklung einer polizeilichen Spezialeinheit
Von Dr. Christian Herrmann
 

Kriminalistik-Schweiz

Umgang mit Cyberkriminalität
Eine Bestandsaufnahme
Von Dr. Daniel Fink

 

Kriminalistik-Campus

Der administrative Ansatz zur Kriminalitätsbekämpfung Bedenkenlos empfehlenswert?
Von Torsten Alschner

Schleusungskriminalität und illegale Beschäftigung
Phänomen, Bekämpfungsmöglichkeiten und Grenzen
Von Laura Marie Hutmacher
 

 

Recht aktuell

Betrug beim Kauf eines Gebrauchtwagens


Beschlagnahme eines Impfausweises


Verbotenes „Alleinrennen“

 

_________________________

Fachartikel

Kriminalitätsfurcht im Internet
Zur Übertragbarkeit etablierter Erklärungsansätze auf den digitalen Raum
Von Dario Leonetti und Alexander Werner
Die Digitalisierung ist eine der radikalsten Veränderungen der Menschheitsgeschichte. Medien der öffentlichen Meinungsbildung, künstliche Intelligenz und Cyberkriminalität sind einige ihre Produkte, haben sich in das Leben der Menschen integriert und sind heute nicht mehr wegzudenken. Die Digitalisierung ist ein dynamischer Prozess, der weiter anhält. Um mögliche Auswirkungen damit verbundener Verunsicherungen und Veränderungen des Kriminalitätsgeschehens auf die Kriminalitätsfurcht zu antizipieren, wurden etablierte Ansätze zur Erklärung der Kriminalitätsfurcht analysiert und auf den Kontext des Internets. Das Ziel ist eine Bewertung, ob ein Transfer von Offlinebedingungen der Kriminalitätsfurcht auf den digitalen Raum gelingen kann. Die theoriebasierte Analyse kommt zu der Schlussfolgerung, dass negative Einflüsse auf das Sicherheitsempfinden vermutet werden können. Es werden empirische Studien empfohlen, um die hier aufgestellten Hypothesen und Zusammenhänge zu prüfen.

Stochastischer Terrorismus, enthemmte Sprache und extremistische Narrative
Von Stefan Goertz
Dieser Beitrag analysiert das Phänomen stochastischer Terrorismus sowie enthemmte Sprache und extremistische Narrative als möglichen Kontext. Das Kapitel drei führt aus, dass enthemmte Sprache und extremistische Narrative zu Radikalisierungsprozessen und Gewaltanwendung – bis hin zu Terrorismus – führen können. Dominierende extremistische Narrative und enthemmte Sprache sind aktuell vor allem mit Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus verbunden. Hier spielt die Verschwörungstheorie „der große Austausch“ eine vitale Rolle. Abschließend werden antisemitische Narrative, Gewalt und der rechtsterroristische Anschlag von Halle besprochen.

Radikalisierungsprävention als Evaluationsgegenstand
Ein Kampf der Paradigmen?
Von Michail Logvinov
Es mangelt nicht an fruchtbaren Ansätzen, Modellen und Verfahren der Evaluation in der Extremismusprävention. Zugleich entsteht der Eindruck, dass die methodische und institutionelle Ausdifferenzierung des Feldes einen „Kampf der Paradigmen“ in Deutschland befeuert, der einen Dialog zwischen verschiedenen „Evaluationsschulen“ sowie zwischen der Praxis- und „Metaforschung“ teils erschwert. Es fällt zudem auf, dass die Diskurse rund um die Evaluationsmethoden und (Gold-)Standards in der Radikalisierungsprävention jene Kontroversen wiederholen, die bereits in der angelsächsischen Soziologie der 1970/80er Jahre einen prominenten Platz einnahmen.
Literaturverzeichnis (PDF-Download)

Wie ticken Medien? Chancen für die Präventions- und Opferarbeit nutzen!
Von Kirsten Baumbusch und Günther Bubenitschek
Die Medienarbeit in Kriminalprävention und Opferschutz hat es schwer. Das Gute, das geleistet wird, ergibt scheinbar keine gute Story! Das erfahren leidvoll alle, die diese Themenfelder beackern. Ihr Enthusiasmus findet keinen Widerhall und verpufft. Dies führt zu Frustration und Resignation. Gleichzeitig bleiben viele spannende, beispielgebende und mutmachende Geschichten unerzählt. ihr Potenzial für ein gutes Sicherheitsgefühl und ein gutes gesellschaftliches Miteinander bleibt unerschlossen. Dabei schenken Medienrezipienten Geschichten, die einen Mehrwert für ihren Alltag bieten, sie vor Schaden bewahren und positiv erzählt werden, eben so viel Beachtung, wie „Sex, Drugs & Rock´n Roll“. Die Autoren versuchen vor dem Hintergrund ihrer langjährigen beruflichen Erfahrungen in der strategischen und praktischen Arbeit aufzuzeigen, wie Medien ticken. Sie gehen der Frage nach, wie es gelingen kann, Medien für die „gute Sache“ zu gewinnen. Sie geben Tipps zur praktischen Umsetzung.

Vernehmungsfortbildung der Polizei im Vergleich mit außerbehördlichen Angeboten
Eine Befragung polizeilicher und außerbehördlicher Ausbilder
Von Lisa Stegemann und Lisa Marie Kluth
Vernehmungen und Befragungen spielen nicht nur im polizeilichen Kontext eine entscheidende Rolle, auch im außerbehördlichen Bereich ist die Befragung eine elementare Maßnahme zur Ermittlung von Sachverhalten. Eine Vernehmung bzw. eine Befragung erfordert von dem Vernehmer oder Befrager zahlreiche Kompetenzen. Dieser Artikel betrachtet vergleichend zwischen Polizei und außerbehördlichem Bereich, wie diese Kompetenzen in Deutschland vermittelt werden. Eine Umfrage von polizeilichen Ausbildern zu ihren Fortbildungsangeboten (N = 27) sowie eine weitere Befragung von außerbehördlichen Ausbildern zu ihren Lehrveranstaltungsangeboten (N = 21) zeigt, dass die Aus- und Fortbildungslandschaft trotz einiger Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Bereichen insgesamt sehr heterogen ist. Da weder für die Aus- und Fortbildung von Vernehmungen und Befragungen, noch für die praktische Durchführung einheitliche und verbindliche Standards existieren, sehen die Autorinnen hier deutlichen Handlungsbedarf.

Verwertbarkeitsfragen bei Ermittlungsmaßnahmen, die nur beim Verdacht bestimmter Straftaten zulässig sind
Von Marco Mayer
Vielfach sind strafprozessuale Ermittlungsinstrumente nicht zur Erforschung jeder beliebigen Straftat eröffnet, sondern nur bei bestimmten (schwereren) Delikten. Als typisches Beispiel sei das Katalogtaterfordernis etwa bei der Telekommunikationsüberwachung genannt (§ 100a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO). Damit stellt sich die Frage der Verwertbarkeit, wenn die Maßnahme Erkenntnisse erbringt, die von der ursprünglichen Verdachtslage abweichen.

„Sky Marshals“
Zur historischen Entwicklung einer polizeilichen Spezialeinheit
Von Christian Herrmann
Die „Sky Marshals“ begreifen sich nicht als Elitepolizisten, obwohl sie eine harte anspruchsvolle Ausbildung hinter sich haben. Sie sind keine Einzelkämpfer, sondern arbeiten nur im Team. Ihr Job ist kräftezehrend und, auch wenn alles gut läuft, durchaus gefährlich. Im Folgenden gewähren „Sky Marshals“ Innenansichten: Mein Team und ich. Wer sind wir? Wir sind Flugsicherheitsbegleiter (FSB) und Angehörige der Bundespolizeiinspektion Flughafen Frankfurt/Main VI. Im internationalen Sprachgebrauch bezeichnet man uns gerne als Sky Marshals. Das hört sich zwar reißerisch an, aber jeder in unserer Inspektion weiß, dass wir eine Aufgabe wahrnehmen, bei der kühle Professionalität und absolute Wachsamkeit gefragt sind; Möchtegernrambos sind bei uns fehl am Platz.

Umgang mit Cyberkriminalität in der Schweiz
Eine Bestandsaufnahme
Von Daniel Fink
Die Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit Cyberkriminalität stellt die Strafverfolgungsbehörden in vielerlei Hinsicht vor echte Herausforderungen. Technisch gesehen, weil die Täter im Cyberspace über höchste Kompetenzen in neuen Technologien verfügen. Rechtlich gesehen, weil sie wissen, dass sie durch ihr Handeln auf internationaler Ebene das Vorgehen der Justiz verlangsamen, die auf gegenseitige Rechtshilfe angewiesen ist, wie sie auch wissen, dass die rechtliche Qualifikation komplex und international noch nicht vereinheitlicht ist. Politisch aufgrund des schweizerischen föderalistischen Justizsystems. Ausgehend vom Überblick über Herausforderungen und Schwierigkeiten der Strafverfolgung, die unter ständig neuen Rahmenbedingungen stattfinden muss, bietet dieser Beitrag einen Einblick über den bisherigen – eher zurückhaltenden – Umgang mit Cyberkriminalität in der Schweiz.

_________________________

Kriminalistik Campus

Redaktion: Joachim Faßbender, Kriminaldirektor im Hochschuldienst, Fachgebiet III.3 „Kriminalistik – Phänomenbezogene Kriminalstrategie“, DHPol Münster

Die Erweiterung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität um den sogenannten „Administrativen Ansatz“, welcher sich durch das koordinierte Zusammenwirken von unterschiedlichen Ordnungsbehörden und Strafverfolgungsbehörden mit dem Ziel, die missbräuchliche Nutzung legaler Infrastrukturen zu erschweren, auszeichnet, kann durchaus als Erfolg bezeichnet werden. Gleichzeitig wirft dieser Ansatz in rechtlicher, soziologischer und operativ-taktischer Hinsicht eine Reihe von Fragen auf, die Torsten Alschner aufgreift und einer kritischen Betrachtung unterwirft. Mit der Arbeit „Der administrative Ansatz zur Kriminalitätsbekämpfung - bedenkenlos empfehlenswert?“ widmet sich der Autor damit einem hochaktuellen und gemeinhin als erfolgsträchtig bewerteten Bekämpfungsansatz von hoher und über die (Kriminal-)Polizei hinausgehender Relevanz. 
Schleusungskriminalität und illegale Beschäftigung stellen nach wie vor aktuelle Kriminalitätsphänomene von polizeilicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedeutung dar. Während Schleusungskriminalität im Zuge von Migrationsbewegungen häufiger im öffentlichen Diskurs bewegt wird, erfährt das Phänomen im Zusammenhang mit der illegalen Beschäftigung ungeachtet der Präsenz und Bedeutung beider Kriminalitätsphänomene seltener Beachtung. Dementsprechend greift Laura Marie Hutmacher mit ihrer Arbeit zu „Schleusungskriminalität und illegale Beschäftigung: Phänomen, Bekämpfungsmöglichkeiten und Grenzen“ ein dauerhaft relevantes Thema mit großer Reichweite auf. Vor dem Hintergrund der jüngeren Entwicklungen geht die Autorin auf Herausforderungen bei der Bekämpfung der Kriminalitätsphänomene ein und diskutiert eine Reihe von Verbesserungsmöglichkeiten bei der Bekämpfung der Schleusung zum Zwecke der illegalen Beschäftigung in strategischer, kooperativer, taktischer sowie rechtlicher Hinsicht und zeigt zugleich deren Grenzen auf.
 

Der administrative Ansatz zur Kriminalitätsbekämpfung
Bedenkenlos empfehlenswert?
Von Torsten Alschner

Schleusungskriminalität und illegale Beschäftigung
Phänomen, Bekämpfungsmöglichkeiten und Grenzen
Von Laura Marie Hutmacher

 

_________________________

Recht aktuell

Betrug beim Kauf eines Gebrauchtwagens
Ein Kunde, der beim Kauf eines Gebrauchtwagens über die Laufleistung durch vorgenommene Tacho- Manipulationen getäuscht und zum Kaufabschluss bewogen wird, erleidet einen betrugsrelevanten Schaden regelmäßig nur dann, wenn das Fahrzeug objektiv den vereinbarten Preis nicht wert ist.

OLG Hamm, Beschl. v. 5.5.2020
5 RVs 31/20
jv

 

Beschlagnahme eines gefälschten Impfausweises
1. Das Gebrauchen eines gefälschten Gesundheitszeugnisses im privaten Bereich (hier: gegenüber einer Apotheke) ist nach aktuell geltender Rechtslage straffrei.
2. In Betracht kommt nur die Sicherstellung des Impfausweises aufgrund des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts.

LG Osnabrück, Beschl. v. 26.10.2021
3 Qs 38/21 
jv

 

Verbotenes „Alleinrennen“
1. Die grobe Verkehrswidrigkeit i.S.d. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB kann sich allein aus der besonderen Massivität des Geschwindigkeitsverstoßes oder aus begleitenden anderweitigen Verkehrsverstößen ergeben, die in einem inneren Zusammenhang mit der nicht angepassten Geschwindigkeit stehen.
2. Unangepasste Geschwindigkeit i. S. d. Norm ist jede der konkreten Verkehrssituation nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht mehr entsprechende Geschwindigkeit.
3. Die Absicht des Täters, nach seinen Vorstellungen auf einer nicht ganz unerheblichen Wegstrecke die nach den situativen Gegebenheiten maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen, muss nicht Endziel oder Hauptbeweggrund des Handelns sein. Es reicht vielmehr aus, dass der Täter das Erreichen der situativen Grenzgeschwindigkeit als aus seiner Sicht notwendiges Zwischenziel anstrebt, um ein weiteres Handlungsziel zu erreichen.

BGH, Beschl. v. 17.2.2021
4 StR 225/20
jv


Verlag C.F. Müller

zurück zur vorherigen Seite