Logo C.F. Müller
Ausgabe Januar 2022

Fachartikel

Politisch motivierte Kriminalität

Politisch motivierte Straftaten im Kontext von Verschwörungsideologien
Teil 1: Annäherung an eine polizeiliche Arbeitsdefinition
Von Sven Rocho
(Teil 2 in Ausgabe 2/2022)
 

Radikalisierung

Ein Gordischer Knoten
Zum Zusammenspiel von Verschwörungserzählungen und extremistischen Radikalisierungsprozessen in sozialen Medien
Von Verena Fiebig und Dr. Daniel Köhler
 

Deradikalisierung

Deradikalisierungsforschung
Neuer Wein in alten Schläuchen?
Von Dr. Michail Logvinov
 

Strafgesetzbuch

Gelegenheit macht(e) Fälscher?
Zur Reform der Strafbarkeit des Herstellens und Gebrauchmachens gefälschter COVID-19-Impfnachweise nach dem StGB
Von Benedict Pietsch
 

Strafrecht

„Bekämpfungsstrafrecht“ außer Rand und Band
Zur unverhältnismäßigen Reform des Geldwäschetatbestands
Von Prof. Dr. Anja Schiemann
 

Strafverfahrensrecht

Anwendung der Einziehung in der Russischen Föderation
Eine kritische Analyse des Beschlusses des Plenums des Obersten Gerichts
Von Dr. Petr Skoblikov
 

Kriminalwissenschaft

Kriminalistik – studieren geht über probieren!?
Ein Einblick in das Angebot deutschsprachiger Hochschulen im Bereich der Kriminalistik
Von Gerrit Domenghino
 

Kriminalgeschichte

Das FBI der DDR“ – Die „Spezialkommission“ des Ministeriums für Staatssicherheit
Von Dr. Christian Herrmann
 

Kriminalistik Schweiz

Romance Scam
Betroffene – nicht nur am Vermögen geschädigt
Von Dr. Mirjam Loewe-Baur

 

Kriminalistik-Campus

Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Polizei und Steuerbehörden
Von Felix Hackner und Roland Hoheisel-Gruler

Gewalt gegen ältere Pflegebedürftige
Tatgelegenheitsstrukturen in der stationären Pflege älterer Menschen sowie mögliche Präventions- bzw. Interventionsansätze
Von Linus Dietrich

 

Recht aktuell

Zum Beweisverwertungsverbot bei Verstoß gegen Polizeirecht

Bestechung eines Amtsträgers

 

Literatur

Forschungslücke ansatzweise geschlossen
Janine Schröder, Politisch motivierte Gewalt.

 

_________________________

Fachartikel

Politisch motivierte Straftaten im Kontext von Verschwörungsideologien
Teil 1: Annäherung an eine polizeiliche Arbeitsdefinition
Von Sven Rocho
Verschwörungsmythen, wie die Ritualmordlegende oder die Brunnenvergiftung, spielten bereits im Mittelalter eine einschneidende Rolle und schürten schon damals Hass und Gewalt. In der heutigen Zeit sind es die modernen Verschwörungserzählungen, wie die Theorie vom Großen Austausch und QAnon, sowie die daraus resultierenden handlungsleitenden Ideologien, die weiteren Nährboden für veraltete Ressentiments, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit bieten.
Insbesondere die Taten von Halle und Hanau und der sog. „Sturm auf den Reichstag“ die allesamt in Zusammenhang mit Verschwörungsideologien gebracht werden konnten, lösten dabei in jüngerer Vergangenheit erhebliche gesellschaftliche, mediale und politische Aufmerksamkeit aus.

Ein Gordischer Knoten
Zum Zusammenspiel von Verschwörungserzählungen und extremistischen Radikalisierungsprozessen in sozialen Medien
Von Verena Fiebig und Daniel Köhler
Das Zusammenspiel von Verschwörungserzählungen und gewaltorientierten extremistischen Radikalisierungsprozessen insbesondere in sozialen Medien hat nicht zuletzt durch die Terroranschläge von Halle (2019) und Hanau (2020) gesteigertes öffentliches, wissenschaftliches und sicherheitsbehördliches Interesse erfahren. Die Fragen nach dem Einfluss von Verschwörungserzählungen auf sowie die Erkennbarkeit von virtuellen und potentiell terroristischen Radikalisierungsprozessen sind dabei nur eine der vielen gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Entwicklung adäquater Präventions- und Interventionsstrategien sind ebenso von zentraler Bedeutung. Dies wird jedoch durch den Mangel an empirischer Forschung zu Verschwörungserzählungen und effektiven Gegenmaßnahmen erschwert. Die vorliegende Studie dient der Veranschaulichung der hoch komplexen Dynamiken von Verschwörungserzählungen auf einer sozialen Medienplattform im Rahmen eines Radikalisierungsprozesses, der in einem tödlichen Gewaltakt endete.

Deradikalisierungsforschung
Neuer Wein in alten Schläuchen?
Von Michail Logvinov
Die Erwartungen an die (praxisorientierte) Deradikalisierungsforschung waren und bleiben hoch. Allerdings lässt die kopernikanische Wende infolge einer wissenschaftlichen Revolution auf sich warten. Die Deradikalisierungsstudien haben es kaum vermocht, über jenen Kenntnisstand hinauszugelangen, der in den 1970/80er Jahren durch Terrorismusanalysen, Sektenforschung und kriminologische Untersuchungen erarbeitet wurde. Dies lässt sich am Beispiel einer – zu Unrecht in Vergessenheit geratenen – deutschen Studie aufzeigen.

Gelegenheit macht(e) Fälscher?
Zur Reform der Strafbarkeit des Herstellens und Gebrauchmachens gefälschter COVID-19-Impfnachweise nach dem StGB
Von Benedict Pietsch
Bei der Sanktionierbarkeit des Herstellens und des Gebrauchmachens gefälschter Impfnachweise geht es nicht zuletzt um die Legitimität der durch die Politik zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ergriffenen Maßnahmen sowie um die Glaubwürdigkeit des (Straf-)Rechtsstaates. Ausgehend von den Schwierigkeiten, derartige Verhaltensweisen nach den §§ 277–279 StGB a. F. zu sanktionieren, werden vorliegend zwei Gesetzentwürfe zu deren Reform thematisiert, von denen der Entwurf der „Ampel“- Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP mittlerweile geltendes Strafrecht darstellt. Der Beitrag schließt mit einer Bewertung der aktuellen Rechtslage und unterbreitet ergänzende Reformvorschläge.

„Bekämpfungsstrafrecht“ außer Rand und Band
Zur unverhältnismäßigen Reform des Geldwäschetatbestands*
Von Prof. Dr. Anja Schiemann
Der Geldwäschetatbestand ist die am häufigsten geänderte Vorschrift des StGB. Seit seiner Einführung im Jahr 1992 reiht sich eine Reform an die andere, häufig initiiert durch umzusetzende EU-Richtlinien. Auch die neue Reform ist der überfälligen Umsetzung der EU-Richtlinie 2018/1673 geschuldet, geht aber weit über das erforderliche Maß an Änderungen hinaus und führt zu einer unverhältnismäßigen Verschärfung mit weitreichenden Konsequenzen in der Praxis. Das Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche ist am 18.3.2021 in Kraft getreten.

Anwendung der Einziehung in der Russischen Föderation
Eine kritische Analyse des Beschlusses des Plenums des Obersten Gerichts
Von Petr Skoblikov
Im Artikel werden einige allgemeine Probleme untersucht, die sich bei der Umsetzung der Befugnisse des Obersten Gerichts der Russischen Föderation zur Erläuterung der Gesetzgebung ergeben: Der Interessenkonflikt zwischen dem Geschädigten, der an der Wiedergutmachung für den ihm zugefügten Schaden zu Lasten des Vermögens des Straftäters interessiert ist, und dem Staat, der ebendieses Vermögen zur Einziehung beansprucht; die Einziehung von Taterträgen und Tatmitteln ohne Schuldspruch, ohne rechtskräftiges Urteil; die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung fahrlässiger Straftaten gebraucht wurden, sowie des Vermögens, das für kriminelle Aktivitäten bestimmt war, jedoch diese Bestimmung verloren hat; die Einziehung des Vermögens, welches von dem Beschuldigten an Dritte übergeben wurde, usw. Darüber hinaus wurde das Urteil des Verfassungsgerichts der Russischen Föderation von 07.03.2017 Nr. 5-P in dem Teil analysiert, in dem die Rechtmäßigkeit der Einziehung von Vermögen des Beschuldigten ohne Schuldspruch des Gerichts begründet wird, welches dem Beschuldigten rechtmäßig gehört. Dieses Urteil hat nach Ansicht des Autors die Position des Plenums des Obersten Gerichts zu einer Reihe von Fragen vorbestimmt.

Kriminalistik – studieren geht über probieren!?
Ein Einblick in das Angebot deutschsprachiger Hochschulen im Bereich der Kriminalistik
Von Gerrit Domenghino
„Unsere Zeit ist geprägt von den neuen Möglichkeiten einer digitalisierten Welt. Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), vernetzte elektronische Geräte und neue innovative Kommunikationskanäle bringen große Veränderungen mit sich. Viele unserer alltäglichen Aufgaben, unabhängig ob im privaten, beruflichen oder behördlichen Kontext, werden durch neue Technologien erleichtert und beschleunigt. Immer mehr Prozesse verlagern sich in den Cyberraum. Die COVID-19-Pandemie hat dieser Entwicklung einen weiteren Schub gegeben.“ Mit diesen Worten wird in die im September 2021 veröffentlichte „Cybersicherheitsstrategie für Deutschland“ eingeleitet. Die Kriminalität hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt, ebenso die Herausforderungen an die Kriminalitätsbekämpfung und Strafverfolgung. Hier stoßen teilweise Welten bzw. Generationen aufeinander, so dass über Jahrzehnte gesammelte Erfahrung im Kriminaldienst auf die IT-Kenntnisse junge Hacker treffen. Um diesen Herausforderungen etwas entgegenhalten zu können, bedarf es fundierter kriminalistischer Kenntnisse, die auf der Höhe der Zeit und der technischen Entwicklung sein müssen.

„Das FBI der DDR“ – Die „Spezialkommission“ des Ministeriums für Staatssicherheit
Von Christian Herrmann
Die DDR wies einen Doppelcharakter von Staats- und Parteiwesen auf, der mit dem anhand des nationalsozialistischen Staates von 1933–1945 entwickelten staatsrechtlichen Dualismus von „Normenstaat“ und „Maßnahmenstaat“ auch politikwissenschaftlich gut erfasst scheint. Am Beispiel der „Spezialkommission“ (SK) für Kapitalverbrechen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) wird der Charakter der DDR exemplarisch deutlich. Der Aufsatz will daher nicht nur ein aus kriminalistischer Sicht wichtiges und wenig bekanntes Phänomen beleuchten, sondern auch die Strukturen eines linksextremistisch autoritären Staatswesens der jüngeren deutschen Geschichte verdeutlichen. Die Überschrift über diesem Aufsatz ist insoweit einer Kritik zu unterziehen, als dass das „FBI der DDR“ weder demokratisch legitimiert war, die Menschenwürde zu achten hatte, noch an die Grenzen eines Rechtsstaates gebunden war. Vielmehr waren ihrem Wirken keine Grenzen gesetzt, und die SK als Organ eines Geheimdienstes griff auf Techniken und Methoden zurück, zu deren Einsatz auch die US-Bundespolizeibehörde FBI nicht befugt war und ist.

Romance Scam
Betroffene – nicht nur am Vermögen geschädigt
Von Mirjam Loewe-Baur
Psychische Gewalt durch Betrug. Dieser Zusammenhang erschliesst sich nicht ohne weitere Erklärung. Die Frage danach, wer überhaupt als Opfer gilt beziehungsweise gelten soll ist unter Einbezug unterschiedlicher Disziplinen gar nicht so trivial. Psychologische Erklärungsansätze wie Personen x Umwelt Modelle oder die Persuasionsstrategien können helfen zu verstehen, weshalb die Betrugsform Romance Scam so häufig vorkommt, wie die Täterschaft vorgeht und weshalb der Bedarf nach Präventions- und Unterstützungsangeboten hoch ist.

.

_________________________

Kriminalistik Campus

Redaktion: Prof. Dr. Sigmund P. Martin, LL.M. (Yale), Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Kriminalpolizei, Wiesbaden

Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Polizei und Steuerbehörden
Von Felix Hackner und Roland Hoheisel-Gruler
Steuern bedingen die Handlungsfähigkeit von Staaten und ermöglichen die Finanzierung öffentlicher Aufgaben. Sie sind elementar für den Bestand des Gemeinwesens. Im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung üben die Steuerbehörden verschiedene Tätigkeiten aus, die dem Handeln der Polizei ähneln und sich teils auf gleiche Rechtsgrundlagen berufen. Dies begründet die Annahme, dass eine Zusammenarbeit der Behörden die Effizienz ihres Handelns steigern könnte.

Gewalt gegen ältere Pflegebedürftige
Tatgelegenheitsstrukturen in der stationären Pflege älterer Menschen sowie mögliche Präventions- bzw. Interventionsansätze
Von Linus Dietrich, Kriminalkommissar beim BKA
Durch die mediale Berichterstattung bekommen vor allem die Tötungsserien von Pflegekräften an Patient*innen große Aufmerksamkeit. Dabei findet niederschwelligere Gewalt an Pflegebedürftigen, insbesondere an älteren Menschen, sehr viel häufiger statt. Wenn Pflegekräfte keine hohe Frustrationstoleranz haben, kann es dazu kommen, dass sie ihre Frustration in Form von Gewalt an den Pflegebedürftigen auslassen.

 

_________________________

Recht aktuell

Zum Beweisverwertungsverbot bei Verstoß gegen Polizeirecht
1. Schwerwiegende, bewusste oder willkürliche Verfahrensverstöße, bei denen grundrechtliche Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen werden, führen zur Unverwertbarkeit dadurch gewonnener Informationen
2. Anlassunabhängige polizeiliche Videoaufnahmen – unter Verstoß gegen die einschlägige Ermächtigungsgrundlage des Polizeirechts (hier: § 15 PolG NRW) – kommen planmäßigen oder systematischen Verfahrensverstößen zumindest gleich und unterliegen einem Beweisverwertungsverbot.
LG Köln, Beschl. v. 1.4.2021 157 Ns 8/20
jv


Bestechung eines Amtsträgers
Das Anbieten oder Gewähren von Spenden an einen Amtsträger, der sich für ein anderes Amt bei demselben Dienstherrn bewirbt, kann dem Anwendungsbereich der Bestechungsdelikte unterfallen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Vorteilsnehmer im Zeitpunkt der Tathandlung bereits allgemein auf Grund seiner Stellung ein weitreichender Aufgabenkreis zugewiesen ist.
BGH, Beschl. v. 1.6.2021 – 6 StR 119/21
jv

 

_________________________

Literatur

Forschungslücke ansatzweise geschlossen
Janine Schröder, Politisch motivierte Gewalt. Eine qualitative Befragung in der linksautonomen Szene, Tectum- Verlag, Baden-Baden 2020, 180 S., Softcover, 36 Euro

Durch die gewalttätigen Ausschreitungen rund um den G20-Gipfelin Hamburg 2017 wurde eine breitere Öffentlichkeit daran erinnert, dass es auch einen linken Extremismus mit einem Gewaltpotential gibt. Meist sind dies heute Anhänger der Autonomen-Szene. Sie besteht bereits seit Anfang der 1980er Jahre, Aufsätze oder Bücher zu ihr liegen aber häufig nur von früheren Protagonisten oder Sympathisanten vor. Denn die Akteure Schotten sich gern gegenüber der Außenwelt ab, was sowohl in der Einstellung gegenüber Journalisten wie Wissenschaftlern gilt. Ausnahmen bestätigen die Regel. Eine solche Ausnahme ist die von der Sozialwissenschaftlerin Janine Schröder vorgelegte Studie: „Politisch motivierte Gewalt. Eine qualitative Befragung in der linksautonomen Szene“. Es handelt sich hier um eine qualitative, nicht um eine quantitative Studie, worauf eben auch der Untertitel aufmerksam macht. Insofern ist der Einwand, es seien nur sieben Person befragt worden und insofern könne nicht von Repräsentativität gesprochen werden, unangemessen.
Aber zunächst zurück zum Anfang, nämlich dem konkreten Erkenntnisinteresse. Der Autorin will „einen Einblick in die Lebenswirklichkeit aktiver Mitglieder linksautonomer Szenen“ (S. 3) geben. Dazu fragt sie nach den Gründen und Zielen, die sich mit politisch motivierter Gewalt verbinden, nach deren Definition und Einschätzung im Kontext von politischem Protest, nach gruppendynamischen Faktoren bei der Radikalisierung und nach den Grenzziehungen bei Körperverletzungen und Sachbeschädigungen. Zunächst geht es aber um den aktuellen Forschungsstand, wobei die Arbeiten zu den Autonomen erstaunlicherweise fast komplett ignoriert werden. Sie tauchen auch im Literaturverzeichnis nicht auf. Anschließend erfolgen Begriffsbestimmungen hinsichtlich der „Politisch motivierten Gewalt“. Dabei referiert die Autorin aus der Sekundärliteratur, nimmt aber selbst keine Arbeitsdefinition für ihre Studie vor. Danach werden Gewalttheorien aus der Soziologie vorgestellt, welche die spätere Auseinandersetzung mit dem Thema methodisch umrahmen.
Bei der folgenden forschungsmethodischen Darstellung wird auch mehr auf eigenen Füßen gegangen. Als geeignetes Erhebungsinstrument soll es um die Form „episodischer Interviews“ (S. 30) gehen, wofür die Gewinnung von Interviewpartnern für Schröder nicht leicht war. Sie schildert deren Bedenken im Vorfeld, befürchtete man doch bei einer „Enttarnung“ mögliche strafrechtliche Konsequenzen. Erst nach allgemeinen Informationen über die jeweiligen Interviewsituationen geht es darum, die Gesprächsinhalte bezüglich bestimmter Hauptkategorien aufzuarbeiten. Dazu gehören etwa „Zugang zur linksautonomen Szene“, „Gruppendynamische Faktoren“, „Einstellungen und Werte“, „Sinn und Zweck der Gewaltanwendung“ oder „Abläufe von Aktionen“. Die Autorin erweist sich dabei als gute Beobachterin und Interpretin, was etwa die Ausführungen zu „Hierarchien“ zeigen: Sie „sind in den Gruppierungen nicht gewollt ... Es entwickeln sich erfahrungsbasierte Hierarchien (...), die abhängig von der Präsenz und Dauer der Aktivität einer Person sind“ (S. 72).
Gegen Ende werden die Ergebnisse zusammengefasst, wobei aber von den Autonomen kein rundes Bild entsteht. Dies ist nicht der Autorin anzulasten, hat es doch etwas mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun. Sie konstatiert: „Feststellbar ist ..., dass sich die Akzeptanz von Gewalt und die eigene Bereitschaft zur Anwendung dieser erhöht, je aktiver die Person in linksautonome Kreise eingebunden ist ...“. Die Arbeit ist bilanzierend aufgrund der Aufarbeitung von Statements aus der Szene wichtig. Insofern wird eine Forschungslücke ansatzweise geschlossen. Mitunter beschreibt bzw. referiert die Autorin die dort vertretenen Einstellungen und Positionen primär, eine kritische Einordnung hätte der Studie noch einen größeren Wert gegeben. Gleichwohl hat man es hier mit einer Arbeit zu tun, welche Auskunft über ein ansonsten ignoriertes Phänomen gibt

Armin Pfahl-Traughber


Verlag C.F. Müller

zurück zur vorherigen Seite