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Ausgabe April 2022

April 2022

Reichsbürger und Selbstverwalter

„Der Staat bin ich“
Die Szene der Reichsbürger/Selbstverwalter in der Bundesrepublik Deutschland
Von Christian Herrmann
 

Rechtsextremismus

Rechtsextremismus sowie „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ in Deutschland
Aktuelle Akteure und Trends
Von Stefan Goertz
 

Antisemitismus

Querdenken und antisemitische Verschwörungsmythen
Zwischen Protest und Angriff auf die Demokratie
Von Michael Blume
 

Bedrohungsmanagement

Von digitalem Hass zu analoger Gewalt
Warum Bedrohungsmanagement in die Online-Räume vordringen muss
Teil I: Bedrohungsmanagement in der Architektur der Inneren Sicherheit – Konzept und Herausforderungen.
Von Marcus Papadopulos
 

Cannabislegalisierung

Cannabislegalisierung
Eine Sicht der Dinge
Von Klaus Habschick
 

Kriminalgeschichte

Ein Hauch von Zeitgeschichte
Meine persönliche Begegnung mit Erich Honecker vor dreißig Jahren
Von Carsten Wendt
 

Straf- und Zivilrecht

Betrug beim Kauf eines Gebrauchtwagens am Beispiel der Tachomanipulation
Rechtsvergleich: Zivil- und strafrechtliche Einordnung im deutschen und im kosovarischen Recht
Von Islam Qerimi, Bashkim Preteni und Teuta Abazi
 

Deradikalisierung

Qualitätsförderung in der Deradikalisierungspraxis
Quo vadis?
Von Michail Logvinov
 

Kriminalistik-Schweiz

Super-Recognizer bei der Polizei
Aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet
Von Lorenz Wyss
 

Kriminalistik-Campus

Begleiteter Suizid
Problemstellungen und Herausforderungen für die polizeiliche Praxis
Von Sarina Fricke

Auswirkungen der Corona-Pandemie im Land Baden-Württemberg auf die Entwicklung der Fallzahlen im Bereich Gewalt gegen Polizeibeamte
Eine Analyse der wesentlichen Veränderungen und mögliche kriminalstrategische Bekämpfungsansätze
Von Patrick Oberster
 

Recht aktuell

Heimtücke und Erpressungsopfer

Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen durch Sprengstoffexplosion

 

Literatur

Nebenstrafrecht für Wissenschaft und Praxis „uptodate“
Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 7. Nebenstrafrecht I

Welche Rolle spielt die (Polizei-)Wissenschaft und die von ihr getragene evidenzbasierte Polizeiarbeit in Deutschland?
Uwe Füllgrabe, Psychologie der Eigensicherung

Sehr gelungen
Münchener Kommentar Strafgesetzbuch Band 5 (§§ 263–297)

Für die kriminalistische Theorie und Praxis zu empfehlen
Ingo Wirth (Hrsg.), Kriminalistik-Lexikon

 

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Fachartikel

„Der Staat bin ich“
Die Szene der Reichsbürger/Selbstverwalter in der Bundesrepublik Deutschland
Von Christian Herrmann
Seit 2016, hervorgerufen durch blutige Einsätze, ist der extremistische Phänomenbereich der Reichsbürger/Selbstverwalter in das Blickfeld der Sicherheitsbehörden und der Öffentlichkeit gerückt. Der nachfolgende Beitrag wird einen Überblick über die ideologischen Grundlagen sowie die Struktur in der Bundesrepublik Deutschland dieses „neuen“ Phänomenbereichs geben. Der Beitrag versucht sich an einer Prognose und schließt mit Handlungsempfehlungen.

Rechtsextremismus sowie „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ in Deutschland
Aktuelle Akteure und Trends
Von Stefan Goertz
Dieser Beitrag untersucht aktuelle Akteure und Trends im Rechtsextremismus sowie „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“. Dabei einführend die rechtsextremistischen Parteien, hierbei ausführlich die neue Partei „Freie Sachsen“. Im Anschluss werden ausgewählte rechtsextremistische Organisationen und Bewegungen besprochen. Im Kapitel Rechtsextremismus – Aktuelle Trends werden die rechtsextremistische Einflussnahme auf das Corona-Demonstrationsgeschehen sowie Rechtsextremisten im Internet – Enthemmte Sprache, „Todeslisten“ analysiert. Die Kapitel 4 und 5 besprechen aktuelle Akteure und Trends im Phänomenbereich „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“.

Querdenken und antisemitische Verschwörungsmythen
Zwischen Protest und Angriff auf die Demokratie
Von Michael Blume
Die Wissenschaft lehrt uns, dass einhergehend mit politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Krisen antisemitische Übergriffe zunehmen. So lässt sich auch für die jüngere Vergangenheit eine Zunahme mit der Covid-19 Pandemie und den damit verbundenen Folgen verbinden. Antisemitische Straftaten und Ereignisse haben in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Es ist somit der Frage nachzugehen, weshalb gerade Judenfeindlichkeit in vermeintlich entfernten Zusammenhängen so weit Verbreitung gefunden hat und welche Bedeutung die als Reaktion auf die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19 Pandemie zu verstehende Querdenkerbewegung in diesem Kontext hat. Diesen Fragen widmet sich der folgende Beitrag ebenso wie der Beleuchtung psychologischer Hintergründe und von Radikalisierungsprozessen vor dem Hintergrund von antisemitischen Verschwörungsmythen. Abschließend werden geeignete Reaktionsmöglichkeiten aufgezeigt.

Von digitalem Hass zu analoger Gewalt
Warum Bedrohungsmanagement in die Online-Räume vordringen muss Teil I: Bedrohungsmanagement in der Architektur der Inneren Sicherheit – Konzept und Herausforderungen.
Von Marcus Papadopulos
Amokläufe und sich ändernde Tatbegehungsweisen im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität zwingen Sicherheitsbehörden zur Anpassung ihrer Bekämpfungsstrategien im Sinne der Früherkennung personenbezogener Gefährdungspotentiale. Als Ausgangs- bzw. Zielpunkte stellen sich häufig kommunikationsbezogene Internet-Dienste dar. Hieraus ergeben sich für die Sicherheitsbehörden Handlungsbedarfe, diese Räume als eine wesentliche Erkenntnisquelle zur Verhinderung schwerer Gewalttaten in den Blick zu nehmen. Im vorliegenden Beitrag erfolgt eine Darstellung des Konzepts Bedrohungsmanagements und dessen Verortung in der aktuellen Architektur der Inneren Sicherheit. In einem zweiten Teil in der folgenden Ausgabe der Kriminalistik wird diese um einen Fokus auf digitale Räume und dort zu vorhandene Ansätze des Bedrohungsmanagements ergänzt wird.

Cannabislegalisierung
Eine Sicht der Dinge
Von Klaus Habschick
Die Diskussionen um die Freigabe des Konsums von Cannabis und um die staatliche Kontrolle des Handels damit werden seit vielen Jahren geführt. Mit der Ankündigung der Ampel-Koalition, dies nun tatsächlich in Deutschland umsetzen zu wollen, gewinnt die Auseinandersetzung mit diesem streitigen Thema wieder an Aktualität. Der Autor sieht die Cannabislegalisierung sehr kritisch, zeigt die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen einer solchen Reform auf und fragt danach, wem eine Legalisierung nützen würde und wer daran verdient.

Ein Hauch von Zeitgeschichte
Meine persönliche Begegnung mit Erich Honecker vor dreißig Jahren
Von Carsten Wendt
Die internationale Personenfahndung nach einem ehemaligen Staatsoberhaupt mit dem Ziel der Festnahme zwecks Auslieferung an das ausschreibende Land ist gewiss keine alltägliche Standardmaßnahme der deutschen Polizeibehörden. Aufgrund des Ansehens der gesuchten Person und der zu erwartenden Beschwerdemacht werden an die Einleitung derartiger Fahndungsmaßnahmen und auch an die Durchführung der Festnahme sehr hohe Anforderungen gestellt. Insbesondere dann, wenn die gesuchte Person sowohl über Anhänger als auch politische Gegner verfügt, muss mit möglichen Befreiungsversuchen oder gar Anschlägen auf diese Person gerechnet werden. Genau das war der Fall, als vor gut 30 Jahren die internationale Fahndung nach Erich Honecker, dem ehemaligen Staats- und Parteichef der DDR, eingeleitet wurde. Dieser Artikel setzt sich mit den Umständen und den Maßnahmen einer nicht alltäglichen Personenfahndung und der Durchführung der Festnahme auseinander.

Betrug beim Kauf eines Gebrauchtwagens am Beispiel der Tachomanipulation
Rechtsvergleich: Zivil- und strafrechtliche Einordnung im deutschen und im kosovarischen Recht
Von Islam Qerimi, Bashkim Preteni und Teuta Abazi
Eine Tachomanipulation beim Verkauf eines Gebrauchtwagens ist relativ einfach durchzuführen und kommt häufiger vor als gedacht. Dadurch entsteht ein immenser Schaden für Verbraucher, für die Verkehrssicherheit und die Umwelt. Dieses Thema hat aufgrund länderübergreifender Durchlässigkeit des Rechtsverkehrs eine grenzüberschreitende Bedeutung. Beispielsweise werden in den Kosovo dort innerhalb eines Jahres tausende Gebrauchtwagen aus Deutschland eingeführt. Daher wollen wir mit der vorliegenden Ausarbeitung zunächst das Ausmaß der Tachomanipulation und sodann die zivil- und strafrechtliche Einordnung im deutschen und kosovarischen Recht darstellen. Anschließend erfolgt eine kritische Betrachtung der Wirksamkeit, sowohl von vorhandenen als auch denkbaren neuen Maßnahmen.

Qualitätsförderung in der Deradikalisierungspraxis
Quo vadis?
Von Michail Logvinov
Dieser Beitrag geht pointiert auf Handlungsbedarfe der Qualitätsförderung in der zivilgesellschaftlichen Deradikalisierungsarbeit ein. Eines der zentralen Argumente lautet, dass dieses Tätigkeitsfeld eine wirksame Qualitätsentwicklungsvereinbarung und eine Perspektivenerweiterung hin zur datenbasierten Prozess- und Ergebnisqualität benötigt, die es ermöglichen, intersubjektiv nachvollziehbare Zusammenhänge zwischen 1) Konzepten als sinnhaften Verbindungen von Planung, Durchführung und Auswertung, 2) Aktivitäten und 3) Effekten herzustellen.

Super-Recognizer bei der Polizei
Aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet
Von Lorenz Wyss
Personen mit hervorragenden und weit überdurchschnittlichen Fähigkeiten in der Gesichtserkennung nennt man Super-Recognizer. Immer mehr Polizeibehörden interessieren sich für diese Gesichtserkennungsspezialisten und wollen sich dieser zu Nutzen machen. In der Forschung und Praxis werden verschiedene Testverfahren und Methoden angewendet, solche talentierten Menschen zu identifizieren und sie in die Polizeiarbeit zu integrieren. In diesem Bericht werden verschiedene Blickwinkel zu der Thematik Super-Recognizer bei der Polizei dargestellt.

 

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Kriminalistik Campus

Redaktion:
Matthias Lapp, Leitender Kriminaldirektor im Hochschuldienst,
Michael Rauschenbach, Kriminaldirektor im Hochschuldienst,
beide Fachgebiet Kriminalistik – Allgemeine Kriminalstrategie, Deutsche Hochschule der Polizei, Münster

In der vorliegenden Ausgabe der Kriminalistik werden zwei Hausarbeiten veröffentlicht, welche als Prüfungsleistung des Moduls „Kriminalität – Phänomen, Intervention und Prävention“ im Rahmen des Masterstudiengangs „Öffentliche Verwaltung – Polizeimanagement“ an der Deutschen Hochschule der Polizei im Frühjahr 2021 gefertigt wurden. In beiden Arbeiten setzen sich die Autorin bzw. der Autor mit aktuellen Themen von kriminalstrategischer und auch polizeipraktischer Relevanz auseinander.

In ihrer Arbeit mit dem Titel „Begleiteter Suizid – Problemstellungen und Herausforderungen für die polizeiliche Praxis“ greift Sarina Fricke ein hochaktuelles Thema auf, denn im Frühjahr dieses Jahres will der Deutsche Bundestag über verschiedene Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Sterbehilfe beraten. Diese Neuregelung wurde erforderlich, nachdem das Bundesverfassungsgericht am 26.02. 2020 [Urteil des Zweiten Senats vom 26.2.2020 – 2 BvR 2347/15 – (ECLI:DE:BVerfG:2020:rs20200226.2bvr234715)] das im Jahr 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 Abs. 1 StGB) für verfassungswidrig erklärt hat. Die mit den Regelungen zur Sterbehilfe verbundene ethische und rechtspolitische Debatte stellt nicht nur einen juristischen Diskurs dar. Vielmehr spiegelt sie essentielle Problemlagen unserer Bevölkerung wider. Die Implikationen für die polizeiliche Praxis spielten dabei jedoch kaum eine Rolle. Fricke beschreibt die Situation zutreffend, wonach die Ermittlungsbehörden wegen der noch ausstehenden gesetzlichen Regelung teilweise in einer rechtlichen Grauzone agieren, sofern Maßnahmen der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung im Zusammenhang mit assistierten Suiziden getroffen werden. Dieser „blinde Fleck“ wird durch die Arbeit von Fricke anschaulich beleuchtet. Neben einer Darstellung der Rechtslage schildert sie am Beispiel der Polizei Schleswig-Holstein konkrete polizeipraktische Problemstellungen und leitet daraus Schlussfolgerungen für das Handeln der Führungskräfte ab. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber bald zu einer verfassungsmäßigen Regelung findet und damit auch für die Polizei Rechtssicherheit schafft.

Die seit Frühjahr 2020 ergriffenen gemeinsamen Maßnahmen des Bundes und der Länder zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie führten zu teilweise erheblichen Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland. Neben einem Rückgang der registrierten Kriminalität im Jahr 2020 auf den niedrigsten Stand seit 1993 (PKS Bundeskriminalamt, Berichtsjahr 2020, V1.0) nahm auch die Anzahl von Einsatzlagen, wie Fußballspiele oder Großveranstaltungen ab. Dennoch setzte sich der negative Trend der letzten Jahre in Bezug auf Gewalttaten gegen Polizeibeamte fort, wobei die Entwicklung in den einzelnen Bundesländern allerdings sehr heterogen verlief (Bundeskriminalamt, 2021, Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte, Bundeslagebild 2020). Besonders deutlich wurden zunehmende Gewaltbereitschaft und abnehmender Respekt vor den Einsatzkräften der Polizei im Rahmen der Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie.

Vor diesem Hintergrund analysiert Patrick Oberster in seiner Hausarbeit die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Land Baden-Württemberg auf die Entwicklung der Fallzahlen im Bereich der Gewalt gegen Polizeibeamte im Jahr 2020. Hierzu betrachtet es zunächst sehr differenziert die Entwicklung des Phänomenbereichs, setzt sich mit möglichen Erklärungsansätzen auseinander und leitet daraus kriminalstrategisch relevante Handlungsempfehlungen ab. Dabei berücksichtigt er auch die bereits im Land Baden-Württemberg vorhandene Strategie zur Eindämmung der Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte.

Begleiteter Suizid
Problemstellungen und Herausforderungen für die polizeiliche Praxis
Von Sarina Fricke, Polizeirätin, Dozentin für Verfassungs-, Eingriffsrecht u. Kriminologie an der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung, Altenholz

Auswirkungen der Corona-Pandemie im Land Baden-Württemberg auf die Entwicklung der Fallzahlen im Bereich Gewalt gegen Polizeibeamte
Eine Analyse der wesentlichen Veränderungen und mögliche kriminalstrategische Bekämpfungsansätze
Von Patrick Oberster, Polizei Baden-Württemberg

 

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Recht aktuell

Heimtücke und Erpressungsopfer
1. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt.
2. Mit der Ausübung des Notwehrrechts durch sein Erpressungsopfer muss ein Erpresser vom Grundsatz her jederzeit rechnen, sodass es regelmäßig an seiner Arglosigkeit fehlt.
3. Es erscheint nicht systemgerecht, einem sich gegen den gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff wehrenden Opfer einer Erpressung bei Überschreitungen der rechtlichen Grenzen der Rechtfertigung oder auch der Entschuldigung das Risiko aufzubürden, sogleich das Mordmerkmal der Heimtücke zu verwirklichen.BGH, Beschl. v. 18.11.2021
1 StR 397/21
bb

Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen durch Sprengstoffexplosion
Der Tatbestand des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Gestalt der Erfolgsqualifikation des § 308 Abs. 2 Alt. 2 StGB, welche die Verursachung einer Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen erfordert, ist jedenfalls bei 21 betroffenen Personen erfüllt; eine größere Personenzahl ist nicht erforderlich.
BGH, Beschl. v. 8.12.2021
3 StR 264/21
jv

 

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Literatur

Nebenstrafrecht für Wissenschaft und Praxis „uptodate“
Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 7. Nebenstrafrecht I, JGG (Auszug) AMG, AntidopG, TtMG, BtMVV, GÜG, NpSG, TPG, TFG, GenTG, TierSchG, BNatSchG, VereinsG, VersammlG, JGG. Kommentar, Hrsg. von Volker Erb und Jürgen Schäfer. Bandredakteur: Marco Mansdörfer, 4. Aufl., 2021, C.H. Beck Verlag, München, 2605 S., geb., 429 Euro

Der siebte Band des Münchener Kommentars liegt nunmehr in der vierten Auflage vor und aktualisiert den – in einer anderen Zählung erschienenen – Band 6 der 3. Auflage von 2018 (mit Stand Oktober 2017) . Er kommentiert die Vielzahl in der Überschrift angeführten Gesetze des Nebenstrafrechts. Wegen des beschränkten Raums kann nicht auf alle Kommentierungen eingegangen werden. Sie sind zudem – entsprechend der Bedeutung der behandelten Materie – auch unterschiedlich umfangreich kommentiert. Einen breiten Raum nimmt – zu Recht – der Bereich des Betäubungs- und Arzneimittelstrafrechts mit ergänzenden Normen (AntidopG, BtMVV, GUG, NpSG) ein. Hier werden in der schon aus den Vorauflagen bekannten Tiefe die wesentlichen Tatbestandsmerkmale wie insbesondere das „Handeltreiben“ in der Kommentierung zu § 29 BtMG umfassend erläutert, wobei sowohl der wissenschaftlichen Diskussion wie der Wiedergabe der für die Praxis wichtigen Kasuistik hinreichend Rechnung getragen wird. In formaler Hinsicht ist die Kommentierung zu § 29 BtMG jetzt besser zu überschauen, weil es jetzt einen Gesamtüberblick mit Feingliederung zu der gesamten Vorschrift mit ihren unterschiedlichen Tathandlungen gibt, während in der 3. Aufl. diese Feingliederungen sukzessive zu den einzelnen Tathandlungen (Anbauen, Herstellen, Handeltreiben, Einführen etc.) erfolgten. Bei der wichtigsten Tathandlung des Handeltreibens wird die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme insbesondere anhand der Kasuistik umfassend dargestellt. Hier hat insbesondere die Kasuistik zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme eine besondere Bedeutung und der Großkommentar kann seine Qualitäten ausspielen. Die Anpassung an die neuere Entwicklung zeigt sich in der neuen RN 412 zum Bereitstellen einer Verkaufspattform im Internet. Hier hätte man sich allerdings im Hinblick auf die zunehmende tatsächliche Bedeutung des Online-Handels auch eine umfassendere Darstellung vorstellen können. Bei der Kommentierung des NpSG werden in der Neuauflage interessante Aspekte einer möglichen einschränkenden Auslegung der im NpSG sehr weit gefassten Strafbarkeit bei Irrtumskonstellationen (Diskussion um Expertenstrafecht in RN 29a und eine teleologische Reduktion der Teilnehmerstrafbarkeit in bestimmten Fällen des Eigenkonsums (RN 31) diskutiert.
Als weiteres Beispiel für eine wichtige und gelungene Kommentierung ist das 4. Kapitel mit dem Vereins- und Versammlungsrecht zu nennen, in dem insbesondere die Nebenstrafrechtsnorm des § 20 VereinsG ausgiebig kommentiert wird, wobei aber auch andere wichtige Normen wie z. B. § 3 VereinsG (Vereinsverbot) und § 4 VereinsG (Ausländervereine) erläutert werden. In diesem Zusammenhang seien zwei Beispiele für Aktualisierungen genannt: Zum einen die Auswirkung des Ersetzens des Schriftenbegriffs in § 11 III StGB alt durch den Begriff des Inhalts in § 11 III StGB neu auf § 9 I S. 1 Nr. 2 VereinsG (Kennzeichenverbot) und § 20 I S. 1 Nr. 5 VereinsG im Hinblick auf Datenspeicher (RN 107) und zum anderen die Kommentierung zur restriktiven Auslegung des Merkmals des Verwendens in § 9 III bzw. § 20 I s. 1 Nr. 5 VereinsG (RN 108, 104), wo es um Kennzeichen verbotener Chapter von Motor-Cycle-Clubs geht. Auch dieser 7. Band bestätigt damit das, was zu Recht auch zu anderen Bänden dieser Reihe und insgesamt über den Münchener Kommentar lobend gesagt wird: Der „Münchener“ ist in der Rechtspraxis und im Studium ein Markenzeichen, das für eine fundierte, aber gleichzeitig gut verständliche Kommentierung steht; er sollte deshalb zur Pflichtausstattung von Hochschul-, Behörden- und Gerichtsbibliotheken gehören (siehe auch Blum, Rezension zu Band 5 des Münchner Kommentars zum StGB, 4. Aufl., in diesem Heft S. 213).

Prof. Dr. Sigmund P. Martin, Wiesbaden

 

Welche Rolle spielt die (Polizei-)Wissenschaft und die von ihr getragene evidenzbasierte Polizeiarbeit in Deutschland?
Uwe Füllgrabe, Psychologie der Eigensicherung, 9. Aufl. 2021, Boorberg Verlag, 326 S., kart., 38,80 Euro

Die „Psychologie der Eigensicherung“ von Uwe Füllgrabe ist 19 Jahre nach Erstveröffentlichung in der 9. Auflage im Boorberg Verlag erschienen. Das Werk legt darin in 25 Kapiteln auf 348 Seiten die Theorie einer psychologischen Eigensicherung dar. Die „Psychologie der Eigensicherung“ beschäftigt sich „umfassend mit der Survivability [...], der Überlebensfähigkeit“ (S. 7), was bereits auch im Untertitel „Überleben ist kein Zufall“ deutlich wird. Die Grundlage des Buches bilden „Ereignisse [...] aus der polizeilichen Praxis, unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse“ (S. 7). Aus Gründen des Umfangs kann hier keine umfassende Besprechung erfolgen. Stattdessen konzentrieren wir uns auf wenige, aber zentrale Aspekte der Argumentation.
Das Überleben als Polizist*in bildet das Zentrum der Argumentation des Buches. Anhand von zahlreichen Fallbeispielen beschreibt die „Psychologie der Eigensicherung“ immer wieder bildhaft, was passieren kann, wenn Polizist* innen ihren „Gefahrenradar“ nicht einschalten, z. B.: „Eine später getötete Polizistin erwartete nicht, dass ein Täter, der sich hinter einem Auto verbarg, die Deckung verlassen und sich ihr nähern würde, indem er über die Kühlerhaube und das Autodach lief, während er von oben herab auf sie schoss“ (S. 118). Im Gesamtbild beschreibt die „Psychologie der Eigensicherung“ eine Welt, die für Polizist*innen stets gefährlich ist. Basierend auf der Schilderung von Einzelfällen, die sich zu maßgeblichen Teilen vor mehr als 20 Jahren in den Vereinigten Staaten ereignet haben, stellt das Buch dieses Berufsrisiko auch für Polizist*innen in Deutschland als absolut dar. Dabei lässt es die relative Natur interaktionistischen Handelns als Grundlage des für Polizist*innen geltenden und durch dieses gemanagte Risiko außer Acht.
Forschungen zur Praxis der Polizeiarbeit zeigen seit Jahren, dass bürgerorientierte Polizeiarbeit eines breiten Spektrums sozialer Interaktionsformen bedarf (Todak & James, 2018). Polizist*innen sind keineswegs ständig in Gefahr (Staller & Körner, 2019; Woods, 2019). Empirische Befunde zeigen vielmehr, dass die Entstehung von Gefahr durch faires, transparentes und prosoziales (z. B. nicht dominanz-orientiertes) Verhalten effektiv reduziert werden kann (Barker et al., 2008; Todak & James, 2018). Der Fokus auf Gefahren bildet somit einen faktisch sehr begrenzten Teilausschnitt der Realität moderner Polizeiarbeit ab. Zugleich verstellt er systematisch den Blick für andere grundlegend notwendige Bestandteile polizeilichen Handelns. Forschungen der letzten Jahre zeigen, dass vor allem gegenseitiges Vertrauen ein wesentlicher Aspekt für die Polizeiarbeit ist und als deren zentrale „Währung“ gesehen werden kann (Staubli, 2022). Demzufolge kann soziale Nähe situativ genauso sicherheitsfördernd (für alle Parteien sein) wie in anders gelagerten Situationen Distanz (Koerner & Staller, 2021).
Folgt man dem Stand der aktuellen Forschung, ist die Erwartung permanenter Gefahr selbst gefährlich (Huesmann, 2018) und aus Sicht der Polizeipraxis reflexionsbedürftig. Aus Daten in Deutschland etwa zeigt sich eine beachtenswerte Korrelation: Polizist*innen, die ein entsprechendes Eigensicherungstraining besuchten, hatten im Nachgang leicht höheres Viktimisierungsrisiko im Bereich der schweren Gewalt (Ellrich et al., 2011). Die zentrale Diagnose der „Psychologie der Eigensicherung“ fußt somit auf einer hoch problematischen Annahme, die ohne empirische Basis bezogen auf Deutschland ein verzerrtes Bild propagiert.
Wissenschaftlich ohne empirische Basis im Kontext des polizeilichen Konfliktmanagements sind die im Buch vorgeschlagenen Lösungen. Die vorgestellte TIT-FORTAT Strategie, der zufolge Polizist*innen grundsätzlich freundlich und kooperativ interagieren, sich jedoch gegen unkooperatives Verhalten sofort zur Wehr setzen, bis der/die Interaktionspartner*in wieder kooperiert, entlehnt Füllgrabe der Spieltheorie der 1960er Jahre. Als taktische Lösung für das abstrakte Gefangenendilemma (Axelrod, 1980) reduziert die Anwendung von TIT-FOR-TAT im praktischen Einsatzkontext der Polizei die komplexen, u. a. von Emotionen und Missverständnissen geprägten sozialen Interaktionsdynamiken des Bürgerkontakts der Polizei auf eine einfache, lineare Wenn-Dann-Logik – die das Eigensicherungsrisiko für individuelle Polizist*innen sowie das Risiko eines öffentlichen Vertrauensverlustes erheblich erhöhen kann (Barker et al., 2008; Todak & James, 2018; Zaiser & Staller, 2015). Emotionale Zustände von Menschen in Konflikt- oder Krisensituationen bleiben in dieser Praxisempfehlung unberücksichtigt und werden darüber hinaus in unreflektierter Weise dargestellt (z. B.: „Psychisch Gestörte, Betrunkene und Rauschgiftsüchtige werden leicht unterschätzt, weil man sie irrtümlicherweise für hilflos und für Opfer ihrer Umstände hält [...]. In Wirklichkeit haben Sie eine weitaus größere Steuerungsfähigkeit als man glaubt [...] siehe auch S. 60 in diesem Buch.
Die Forschung der vergangenen 20 Jahre in den Sozial- und Polizeiwissenschaften legt eine breitere, differenziertere Konzeption von Eigensicherung nahe: sie ist sich eigener Stereotype und Vorurteile sowie deren Wirkungsweisen auf das eigene sowie das Interaktionshandeln mit Bürgern bewusst (Staller et al., 2021) und begreift den Aufbau sozialer Nähe als stabilisierendes und damit eigensicherungserhöhendes Element (Magee, 2019; McCarthy et al., 2020). Diese Befunde werden im Buch weder diskutiert noch erhalten sie Einzug in die vorliegenden praktischen Empfehlungen zur Eigensicherung.

Fazit
Die „Psychologie der Eigensicherung“ ist historisch gesehen in der Polizei ein großer Erfolg. Die Erfolgsgeschichte des Buches, die sich u. a. im Leitfaden 371 und weiterhin in einer Vielzahl von Dienstvorschriften, Fachbüchern und polizeipraktischen Fachartikeln niederschlägt, ist vor allem deshalb beachtenswert, weil sowohl die Diagnose als auch die Lösung wissenschaftlicher Verfahrensweisen und aktueller Erkenntnisse weitgehend entbehrt: Weniger als die Hälfte der Quellen (79 von 215) sind peer-reviewed – drei davon stammen aus den 2000er Jahren (2001 und 2002). Plakative Fallbeispiele (z. B. „Karate gegen einen Bär“, S. 168), sind geeignet, ein verzerrtes Bild zu projizieren, das das Handeln geschulter Polizist* innen (fehl-)leiten kann.
Während der behandelte Aspekt der Eigensicherung einen wichtigen Bestandteil polizeilichen Einsatzhandelns aufgreift, ist die Behandlung in der Sache zu einseitig und undifferenziert. Die zentralen Gründe für den Erfolg der „Psychologie der Eigensicherung“ mögen gerade in der Einfachheit und Suggestivkraft des Arguments vom „Überleben in einer allseits gefährlichen Welt“ liegen. Dieser Erfolg stellt jedoch die zentrale Frage, die sich die Aus- und Fortbildung in der Polizei sowie auch ministerielle Entscheidungsgremien stellen müssen: Welche Rolle spielt die (Polizei-)- Wissenschaft und die von ihr getragene evidenzbasierte Polizeiarbeit in Deutschland?

Literatur
Axelrod, R. (1980). Effective Choice in the Prisoner’s Dilemma. Journal of Conflict Resolution, 24(1), 3–25. https://doi.org/10.1177/002200278002400101
Barker, V., Giles, H., Hajek, C., Ota, H., Noels, K., Lim, T.-S., & Somera, L. (2008). Police-Civilian Interaction, Compliance, Accommodation, and Trust in an Intergroup Context: International Data. Journal of International and Intercultural Communication, 1(2), 93–112. https://doi.org/10.1080/17513050801891986
Ellrich, K., Baier, D., & Pfeiffer, C. (2011). Gewalt gegen Polizeibeamte: Befunde zu Einsatzbeamten, Situationsmerkmalen und Folgen von Gewaltübergriffen. Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V.
Huesmann, L. R. (2018). The contagion of violence. In A. T. Vazsonyi, Daniel J Flannery, & M. DeLisi (Eds.), The Cambridge handbook of violent behavior and aggression (pp. 527–556). Cambridge University Press.
Koerner, S., & Staller, M. S. (2021). Die Tools der Straße II: Eigensicherung. Deutsches Polizeiblatt, 39(4), 13–15.
Magee, J. C. (2019). Power and Social Distance. Current Opinion in Psychology, 33, 33–37. https://doi.org/10.1016/j.copsyc.2019.06.005
McCarthy, M., Porter, L., Townsley, M., & Alpert, G. (2020). The role of social distance in the relationship between police-community engagement and police coercion. Policing and Society, 31(4), 1–20. https://doi.org/10.1080/10439463.2020.1749274
Staller, M. S., & Körner, S. (2019). Quo vadis Einsatztraining? In E. Kühne (Ed.), Die Zukunft der Polizeiarbeit – die Polizeiarbeit der Zukunft – Teil II (pp. 321–364). Eigenverlag der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH).
Staller, M. S., Zaiser, B., & Koerner, S. (2021). The problem of entanglement: Biases and fallacies in police conflict management. International Journal of Police Science & Management, 14613557 2110640. https://doi.org/10.1177/14613557211064054
Staubli, S. (2022). Vertrauen in die Polizei im 21. Jahrhundert: Fairness in Interaktionen als Grundlage. In M. S. Staller & S. Koerner (Eds.), Handbuch polizeiliches Einsatztraining: Professionelles Konfliktmanagement (p. im Druck). Springer.
Todak, N., & James, L. (2018). A systematic social observation study of police de-escalation tactics. Police Quarterly, 18(2), 109861111878400. https://doi.org/10.1177/1098611118784007
Woods, J. B. (2019). Policing, Danger Narratives, and Routine Traffic Stops. Michigan Law Review, 117(4), 635–712. https://repository.law.umich.edu/mlr/vol117/iss4/2
Zaiser, B., & Staller, M. S. (2015). The word is sometimes mightier than the sword: Rethinking communication skills to enhance officer safety. Journal of Law Enforcement, 4(5), 1–17.

Mario. S. Staller, Swen Koerner, Benjamin Zaiser


Sehr gelungen
Münchener Kommentar Strafgesetzbuch Band 5 (§§ 263–297), C. H. Beck Verlag, 4. Aufl. 2022, 1484 S., geb., 339 Euro

Der „Münchener“ ist in der Rechtspraxis und im Studium ein Begriff, mehr noch: ein Markenzeichen. Er steht für eine fundierte, aber gleichzeitig gut verständliche Kommentierung. Dieser Befund trifft auch auf den vorliegenden Band zu, dessen Schwerpunkt insbesondere bei den Vermögensdelikten und den Urkundendelikten liegt. Rechtsprechung und Literatur wurden in reichem Maße – teilweise bis Oktober 2021 – ausgewertet. Für einen gebundenen Kommentar dieses Kalibers ist das ein hohes Maß von Aktualität. Leider konnte die (hektische) Neuregelung der §§ 275, 277 ff. StGB vom November 2021 nicht mehr berücksichtigt werden. Die neue Kriminalitätsform der Impfpassfälschung im Gefolge der Corona-Pandemie hat immerhin bei der Kommentierung des § 277 ihren Niederschlag gefunden (s. dort die Rn. 2 und 9).
Die Erläuterungen beschränken sich nicht „nur“ auf dogmatische Fragen; es wird auch die kriminalpolitische Bedeutung der Normen in den Blick genommen und kritisch beleuchtet (s. z. B. § 265a Rn. 7 ff.: Kriminologie der Leistungserschleichung – ein immer wieder rechtspolitisch diskutiertes Thema). Darüber hinaus vertiefen Ausführungen zur Historie einer Norm das Verständnis der Vorschriften und ihre aktuelle Relevanz. Die Abschnitte „Prozessuales“ erweitern den Blick auf spezifisch verfahrensrechtliche Probleme der jeweiligen Norm (z. B. zum Antragsrecht).
Eine ins Detail gehende inhaltliche Würdigung des umfangreichen Werks verbietet sich schon aus Platzgründen. Stichproben zu verschiedenen Normen belegen aber, dass die Lektüre immer lohnend ist.
Nicht nur inhaltlich, sondern auch formal ist der vorliegende Band sehr gelungen. Die Darstellung ist nach einem einheitlichen und eingängigen Schema geordnet. Das sorgfältige Sachregister gewährleistet einen schnellen Zugriff auf das gesuchte Stichwort. Nachweise sind in die Fußnoten verbannt, sodass der Lesefluss nicht beeinträchtigt wird.
Fazit: Auch der vorliegende, aktualisierte Band der Kommentarreihe bietet erwartungsgemäß eine Stofffülle, die ihresgleichen sucht. Der „Münchener“ gehört damit zur Pflichtausstattung von Hochschul-, Behörden- und Gerichtsbibliotheken. Da das materielle Strafrecht Auswirkungen auch das Ordnungs- und Polizeirecht, das Disziplinarrecht sowie das strafrechtliche Ermittlungsverfahren hat, ist die Anschaffung des Werkes auch unter diesen Aspekten eine lohnende Investition.

Prof. Dr. Barbara Blum, Bielefeld

 

Für die kriminalistische Theorie und Praxis zu empfehlen
Ingo Wirth (Hrsg.), Kriminalistik-Lexikon, 5. Aufl., Verlag C.F. Müller GmbH, Heidelberg 2021, 732 S., 40 Euro

Lässt man das vergangene Jahrzehnt seit dem Erscheinen der letzten 4. Ausgabe des Kriminalistik-Lexikons im Jahr 2010 Revue passieren, wird man vor allem die enormen wissenschaftlichen, rechtlichen und technisch-digitalen Entwicklungen zu beachten haben, die gerade auch die interdisziplinär zu betrachtende Kriminalistik im vergangenen Jahrzehnt in einem beachtlichen Umfang betroffen haben. So werden auch künftig neue Kommunikationsmöglichkeiten/Messengerdienste, eine sich ständig erweiternde Blockchain-Technologie und eine sich rasant entwickelnde künstliche Intelligenz bei einem sich permanent expandierenden Internet zu immer komplexeren Veränderungen der Gesellschaft führen. Auf diese zu erwartenden Herausforderungen wird sich auch die Kriminalistik entsprechend einstellen müssen.
Aus diesen Gründen ist der in dieser 5.Auflage gewählte Ansatz der Beteiligung und Einbeziehung kompetenter Vertreter relevanter Bezugswissenschaften und Fachdisziplinen wie beispielsweise der Rechtswissenschaften, Psychologie, Psychiatrie, Kriminologie, Rechtsmedizin und vor allem der Kriminaltechnik eine für die Kriminalistik zukunftsweisende, essentielle Methode, um mit dieser absehbaren Entwicklung standhalten zu können. Auch wenn vereinzelt aus wissenschaftlicher Sicht Begriffsdefinitionen unterschiedlich betrachtet werden können (z. B. Hypothesenbildung oder Forensik) und sich Unterschiede zu Definitionen aus polizeilichen Dienstvorschriften, die teils als VS-nfD eingestuft sind, aufzeigen, bietet diese 5. Auflage insgesamt durch präzise, inhaltliche Erläuterungen der in alphabetischer Ordnung angebotenen über 3000 Begriffe eine hervorragende Übersicht und kann für die kriminalistische Theorie und Praxis nachdrücklich empfohlen werden.

Prof. Gerhard Schmelz


Verlag C.F. Müller

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