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Ausgabe Februar 2023

Fachartikel

Reichsbürger/Selbstverwalter

Reichsbürger und Selbstverwalter 
Rechtliche Maßnahmen und kriminalstrategische Handlungsoptionen im Rahmen alltäglicher Kontrollsituationen
Von Nils Neuwald

Bodycams

„Einsatz in vier Wänden“
Bodycams in Wohnungen aus kriminologischer und rechtlicher Sicht
Von Lena Lehmann und Christian Schäfer

Human trafficking

Trafficking in human beings
The case of theWestern Balkans countries
Muazam Halili and Llokman Mirtezani

Vernehmungen

„Kundenzufriedenheit“
Eine qualitative Untersuchung der Erfahrungen von Strafgefangenen mit richterlichen Vernehmungen/Teil 3
Von Uwe Rüffer

Kindesmissbrauch

Kindersexpuppen
Die Relevanz im Kontext von Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern
Von Susanne Bogutt und Matthias Frey

Europol

Zur Einbeziehung privater Akteure in polizeiliche Ermittlungen
Von Trygve Ben Holland, Sarah Holland-Kunkel und André Röhl

Tagungsbericht

Symposium Cybercrime 2022
Tagungsbericht vom 3. November 2022 an der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz über Gesamtgesellschaftliche Veränderungen, neue Technologien, besondere Modi Operandi
Von Marc Schreiber

Extremismus

Zur Vielstimmigkeit der sicherheitsbehördlichen Auseinandersetzung mit Extremismen
Am Beispiel des Phänomenbereichs Islamismus
Von Erdogan Karakaya

Kriminalistik-Schweiz

Humanitäre Forensik 
Wie die Forensische Wissenschaft in humanitären Katastrophen die Not der Menschen lindern und die Würde der Toten bewahren kann
Von Loretta Berger

 

Kriminalistik-Campus

 

Der britische Digital Media Investigator (DMI)
Ein Konzept für die kriminalpolizeiliche Fallarbeit in Deutschland?
Von Franziska Noack

Intelligente Videoüberwachung
Eine Wirkungsanalyse am Beispiel der Verhaltensmustererkennung
Von Johannes Lang

 

Recht aktuell

Computerbetrug durch Verwendung unrichtiger Daten 

Zur Abgrenzung der Tötung auf Verlangen von der Beihilfe zum Suizid 

 

Literatur

Für Polizeipraktiker
Bernd Bürger (Hrsg.), Die Rolle der Polizei bei Versammlungen

Zu empfehlen
Sascha Kische, Sebastian König, Kathrin Wick-Rentrop, Pascale Woeste
Strafrecht in polizeilichen Ermittlungen – Fälle und Lösungen aus dem Strafrecht, Allgemeiner Teil

Ein praxisnahes Handbuch
Tido Park, Durchsuchung und Beschlagnahme

 

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Fachartikel

Reichsbürger und Selbstverwalter
Rechtliche Maßnahmen und kriminalstrategische Handlungsoptionen im
Rahmen alltäglicher Kontrollsituationen
Von Nils Neuwald
Der durch die Generalbundesanwaltschaft aufgedeckte und vereitelte Umsturzplan durch Angehörige der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene hat einmal mehr die Bedrohung durch diese Szene aufgezeigt. Bis vor einigen Jahren ging man noch davon aus, dass es sich bei den Reichsbürgern und Selbstverwaltern überwiegend um Verschwörungstheoretiker und harmlose Querulanten handeln würde. Diese Bewertung hat sich mittlerweile deutlich verändert. Die Szene der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter steht im Fokus der Sicherheitsbehörden und wird vom Verfassungsschutz als eigenständiger Phänomenbereich betrachtet. Auch im polizeilichen Alltag gibt es oft Berührungspunkte mit Reichsbürgern und Selbstverwaltern, beispielsweise bei Identitätsfeststellungen oder Verkehrskontrollen. Ziel dieses Beitrages ist es, Rechtsklarheit und dadurch Rechtssicherheit im Umgang mit diesem Personenkreis zu schaffen. Im Fokus stehen dabei die wesentlichen Vorkommnisse, welche im alltäglichen Streifendienst bei allgemeinen polizeilichen Kontrollen auftreten können. Diese werden vordergründig aus der Perspektive des Rechts betrachtet, es werden aber zugleich auch kriminalstrategische Handlungsempfehlungen für die Polizei aufgezeigt.

„Einsatz in vier Wänden“
Bodycams in Wohnungen aus kriminologischer und rechtlicher Sicht
Von Lena Lehmann und Christian Schäfer
Zur polizeilichen Gefahrenabwehr werden Bodycams außerhalb von Wohnungen, also im öffentlichen oder teilöffentlichen Raum, inzwischen in nahezu allen Bundesländern eingesetzt. Unmittelbar anschließend wurde von polizeilicher Seite die Ausweitung des Einsatzes auf Wohnungen und sonstiges befriedetes Besitztum gefordert. Der vorliegende Aufsatz untersucht und bewertet diesen Einsatz von Bodycams in Wohnungen sowohl nach kriminologischen wie juristischen Kriterien.

Trafficking in human beings
The case of the Western Balkans countries
Muazam Halili and Llokman Mirtezani
The topic covered in this article is the trafficking in human beings in the Western Balkans countries. This article treats the factors that impact the increase of this negative occurrence, its treatment by the institutions and tractates with international and regional character. At the same time there will be presented empirical data about the trafficking in human beings. There are also specifics about the Western Balkans countries in the point of view of how they are facing this type of crime, analyzing the role of investigations and joint investigation teams, and the standard procedures used in preventing and decreasing this negative occurrence. In the academic and practical point of view this paper is relevant since it treats a very sensitive and current problem, which is being faced by many countries, especially the Western Balkans countries, aiming to become part of the European Union. The results of the fight against this type of crime impact the performance of the involved institutions, and undoubtedly reflect on speeding up the integration process in the EU. Starting from the negative effects of the trafficking in human beings, especially regarding the individual victims and wider, the data and conclusions from this paper will eventually contribute to the scientific and practical aspect.

„Kundenzufriedenheit“
Eine qualitative Untersuchung der Erfahrungen von Strafgefangenen mit richterlichen Vernehmungen/Teil 3
Von Uwe Rüffer
Im ersten Teil des Beitrags, erschienen in KRIMINALISTIK 12/2022, wurden der Anlass, die Methode, die Interviewten sowie die ersten Ergebnisse der Untersuchung – Eigenschaften eines guten Vernehmers – vorgestellt. In Teil 2, erschienen im KRIMINALISTIK 1/2023, wurde diesem erwünschten Vernehmerverhalten, das sich im Wesentlichen mit empathisch, sachlich und akzeptierend beschreiben lässt, kontrastreich ein unerwünschtes Vernehmerverhalten gegenübergestellt, was die Aussagebereitschaft eher hemmt. Hinzu kamen weitere, das Verhalten des Vernommenen beeinflussende Momente. Thema des vorliegenden Artikels sind die Erfahrungen der Strafgefangenen mit der richterlichen Vernehmung im Rahmen der Hauptverhandlung sowie der Vergleich mit den Erfahrungen in der kriminalpolizeilichen Vernehmung. Die Fragestellung zur richterlichen Vernehmung unterschied sich nicht von den Fragen zur kriminalpolizeilichen Vernehmung.
Teil 1, erschienen in Kriminalistik 12/2022
Teil 2, erschienen in Kriminalistik 1/2023

Kindersexpuppen
Die Relevanz im Kontext von Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern
Von Susanne Bogutt und Matthias Frey
Im Zuge der Strafrechtsreform zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt an Kindern wurde 2021 mit § 184 l StGB ein neuer Straftatbestand geschaffen, der den Besitz, die Herstellung und die Verbreitung von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild unter Strafe stellt. Empirisch scheint derzeit nicht belegt, ob die Nutzung solcher Puppen die Wahrscheinlichkeit von realen Missbrauchstaten steigern, senken oder womöglich gar nicht beeinflusst. Der Artikel basiert auf einer Forschungsarbeit der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, die sich mit der Frage auseinandersetzt, ob sich aus der bisherigen Forschung sowie ergänzenden kriminalpolizeilichen Erkenntnissen Hinweise darauf ergeben.
Literaturverzeichnis (PDF-Download)

Zur Einbeziehung privater Akteure in polizeiliche Ermittlungen
Von Trygve Ben Holland, Sarah Holland-Kunkel und André Röhl
Weil private Akteure über eine zunehmende Menge an Daten verfügen, die für strafrechtliche Ermittlungen von Bedeutung sein können, ist Europol nunmehr in die Lage versetzt, Daten direkt von ihnen zu erhalten. Mit der Änderungsverordnung werden zudem Regeln für die Zusammenarbeit mit privaten Akteuren im Zusammenhang mit Online-Krisensituationen und der Online-Verbreitung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch eingeführt. Vorliegender Beitrag stellt den gegenwärtigen Stand der rechtlichen Entwicklungen sowie der Implementierung dar.

Symposium Cybercrime 2022
Tagungsbericht vom 3. November 2022 an der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz über Gesamtgesellschaftliche Veränderungen, neue Technologien, besondere Modi Operandi
Von Marc Schreiber
Das sechste Symposium Cybercrime der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz, das am 3. November 2022 als Präsenzveranstaltung durch das Fachgebiet IX – Cybercrime und digitale Ermittlungen organisiert wurde, bot den Expertinnen und Experten, die mit Cybercrime und digitalen Ermittlungen befasst sind, eine willkommene und langersehnte Möglichkeit des Austauschs. Die weit über 200 Anmeldungen machten deutlich, wie hoch das Interesse an einem persönlichen Kontakt und der Vernetzung war.

Zur Vielstimmigkeit der sicherheitsbehördlichen Auseinandersetzung mit Extremismen
Am Beispiel des Phänomenbereichs Islamismus
Von Erdogan Karakaya
Islamismus, religiös begründeter Extremismus, Legalisten, Politische Islamisten, Salafisten, Neo-Salafisten oder doch islamistischer Terrorismus? Die Vielzahl der Terminologien, die als Aushandlungsbegriffe im Diskurs um einen religiös begründeten Extremismus herangezogen werden, verdeutlichen, dass sich die Wahrnehmung auf die Phänomene und eventuell auf die jeweiligen Zielgruppen sehr unterschiedlich gestalten.

Kriminalistik Schweiz

Redaktion: Schweizerische Kriminalprävention, Chantal Billaud

Humanitäre Forensik
Wie die Forensische Wissenschaft in humanitären Katastrophen die Not der Menschen lindern und die Würde der Toten bewahren kann
Von Loretta Berger
Der Klimawandel, Nahrungsmittelkrisen, Migrationsströme und politische Konflikte erhöhen die Anzahl und das Ausmass von Katastrophen weltweit und mit ihnen den Bedarf an Humanitärer Hilfe. Die Versorgung der betroffenen Menschen mit Trinkwasser, Nahrung oder Medizingüter ist dabei oftmals im Fokus der humanitären Aktivitäten und somit auch im Vordergrund des Bewusstseins der Öffentlichkeit. Nachrichten über Massengräber in Kriegsgebieten, tausende vermisste Migranten oder tägliche Updates an Covid-19 Toten deuten jedoch auf die Existenz weiteren, eher unsichtbaren humanitären Bedürfnisse hin – die Bedürfnisse der Toten, der Vermissten und ihren Angehörigen. Die Frage stellt sich: Wer kümmert sich um sie? Während weltweit das Gebiet der Humanitären Forensik mehr und mehr Verbreitung findet, sind in der deutschsprachigen Literatur noch wenige Informationen darüber vorhanden. Dieser Bericht soll dazu beitragen, dass die Humanitäre Forensik auch im deutschsprachigen Raum an Bekanntschaft gewinnt und als Teil der Humanitären Hilfe wahrgenommen wird.

 

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Kriminalistik Campus

Redaktion:
Matthias Lapp, Ltd. Kriminaldirektor im Hochschuldienst, Deutsche Hochschule der Polizei, Münster, Joachim Faßbender, Kriminaldirektor im Hochschuldienst, Deutsche Hochschule der Polizei, Münster

 

Der britische Digital Media Investigator (DMI)
Ein Konzept für die kriminalpolizeiliche Fallarbeit in Deutschland?
Von Franziska Noack, Kriminalrätin, BKA, Abteilung „Digitale Services und Innovation“ (DI)
Die Verlagerung von Kriminalität und polizeilicher Arbeit in den digitalen Raum erfordert auch eine Anpassung polizeilicher Kompetenzprofile. Diese Herausforderungen betreffen nicht nur die Polizei in Deutschland, vergleichbare Trends und Phänomene lassen sich in vielen anderen Ländern beobachten. Die Polizei in Großbritannien zum Beispiel begegnete dem Digitalisierungstrend unter anderem mit der Etablierung einer neuen Qualifikation: dem Digital Media Investigator (DMI). Auf Basis einer umfassenden Analyse der Kriminalität im digitalen Raum und der Bekämpfungssituation in Großbritannien entwarfen die britischen Behörden eine Roadmap (HMIC, 2015). Auf der Grundlage dieser Strategie bildet das College of Policing nunmehr landesweit DMIs für jegliche Ermittlungsarbeit aus, die digitale Unterstützung erfordert (College of Policing, 2018, S. 1). Mit diesem Beitrag werden das Rollenverständnis und die Einsatzmöglichkeiten des DMI beleuchtet. Im Anschluss an eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kompetenzprofil wird die Frage beantwortet, inwieweit der DMI auch in Deutschland als Antwort auf Herausforderungen der Digitalisierung für die polizeiliche Arbeit dienen kann.

Intelligente Videoüberwachung
Eine Wirkungsanalyse am Beispiel der Verhaltens-/Bewegungsmustererkennung
Von Johannes Lang
Konventionelle Videoüberwachung zur Abwehr von Gefahren oder Strafverfolgung ist ohne den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in ihrer Wirkung begrenzt. Hier gilt es, die regelmäßig anfallenden großen Datenmengen zielgerichtet auszuwerten, um relevante Situationen frühzeitig zu erkennen und damit Reaktionszeiten zu verringern. Es stellt sich somit die Frage, ob eine KI gestützte Videoüberwachung den Anforderungen besser gerecht werden kann. Vor diesem Hintergrund stellt der nachfolgenden Beitrag die intelligente Videoüberwachung der konventionellen vergleichend gegenüber und bewertet sie hinsichtlich ihrer Wirksamkeit.
 

 

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Recht aktuell

Computerbetrug durch Verwendung unrichtiger Daten
Eine Eingabe unrichtiger Daten i. S. d. § 263a Abs. 1 Var. 2 StGB liegt u. a. vor, wenn der Täter als Zahlungsempfänger seiner Bank auf elektronischem Wege einen Lastschriftauftrag im SEPA-Lastschriftverfahren übermittelt und hierbei in der entsprechenden Eingabemaske der Banking-Software eine Kennung verwendet, nach welcher der angeblich Zahlungspflichtige einen Abbuchungsauftrag zugunsten des Täters erteilt haben soll, obwohl ein solcher Auftrag tatsächlich nicht existiert.

BGH, Beschl. v. 3.5.2022
3 StR 93/22
jv

Zur Abgrenzung der Tötung auf Verlangen von der Beihilfe zum Suizid
1. Die Abgrenzung strafbarer Tötung auf Verlangen von strafloser Beihilfe zum Suizid kann nicht sinnvoll nach Maßgabe einer naturalistischen Unterscheidung von aktivem und passivem Handeln vorgenommen werden. Geboten ist vielmehr eine normative Betrachtung
2. Ein ohne Wissens- und Verantwortungsdefizit frei gefasster und erklärter Sterbewille eines Ehegatten führt zur situationsbezogenen Suspendierung der Einstandspflicht für sein Leben.

BGH, Beschl. v. 28.6.2022
6 StR 68/21
jv
 

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Literatur

Für Polizeipraktiker

Bernd Bürger (Hrsg.), Die Rolle der Polizei bei Versammlungen, 1. Aufl. 2022, Springer Gabler, Berlin, Wiesbaden, brosch., 400 S., 49,99 Euro

Bernd Bürger ist ein erfahrener Polizeipraktiker, der in unterschiedlichsten Funktionsebenen über lange Jahre innerhalb von unzähligen Versammlungs- und Veranstaltungslagen eingesetzt war. Diese Lagen umfassten sämtliche Dimensionen und Intensitäten, die im bundesdeutschen Geschehen bislang vorgekommen sind. Innerhalb solcher Einsätze wirken vielfältige Prozesse auf alle beteiligten Menschen ein und bestimmen einen unbestimmbaren Verlauf. Diese Prozesse haben ihren jeweiligen Ursprung in unterschiedlichsten Einzelwissenschaften, die jedoch alle miteinander verschmelzen und nicht vorhersehbare Quer- und Fernwirkungen aufweisen. Wenn in großen Teilen der Polizei über lange Jahre die große Komplexität von Lagen einzig und allein innerhalb der klassischen Sonderlagen (Entführung, Geiselnahme, Herausragende Erpressung) gesehen wurde, hilft Bürger diesem Gedanken mit seinem Werk ab. Mit dem Herausgeberband versucht er, theoretische Grundlagen mit polizeilicher Einsatzpraxis zu verknüpfen – und der Versuch gelingt auf anerkennenswerte Weise. Hierfür greift Bürger als Autor nicht nur auf seine eigene beeindruckende Expertise zurück, sondern er hat als Herausgeber eine große Expertenschar gewinnen können, die sich mit ihm gemeinsam dieser Aufgabe gestellt haben. In vier sinnvoll aufgeteilten Abschnitten werden theoretische Grundlagen erörtert, Ethik und Recht beleuchtet, best practice Beispiele vorgestellt und schließlich das Thema Kommunikation vertiefend dargestellt. Das inhaltliche Spektrum ist so breit gefächert, dass es hier nur bei der beispielhaften Nennung weniger Punkte bleiben kann:

Die Psychologie und damit das Verhalten der Menschenmenge steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der inneren Grundeinstellung der Einsatzkräfte, die gegenüber den Versammlungsteilnehmern grundsätzlich positiv und unterstützend sein sollte. Dabei macht Bürger gleichzeitig und unmissverständlich klar, dass eine Polizeikette keinen Empfehlungscharakter hat.

Die Mythen, die sich um kollektive Gewaltanwendung oder das Verhalten im Allgemeinen von Menschenmengen gebildet haben und in der Polizei unverändert weit verbreitet sind, werden aufgegriffen und korrigiert.

Bekannte kriminologische Theorien werden in Bezug zur polizeilichen Praxis gesetzt und so wird auch aus diesem Blickwinkel heraus deutlich, welche verschiedenen Wirkungen polizeiliche Maßnahmen haben können. So zeigt sich beispielsweise, dass kleine Gesten gegenüber den Demonstrationsteilnehmern die Wahrnehmung ermöglichen, dass sich in der Uniform Menschen verbergen; was deren Rechtfertigung für Gewalt erschwert.

Die rund 380 Seiten, die von Bernd Bürger zusammengestellt wurden, sind ein lesenswerter Gewinn für alle Polizeipraktiker und jede Person, die sich auf wissenschaftlicher wie auch einsatzstrategischer und – taktischer Ebene mit dem Phänomen Mensch in Ansammlungen, Versammlungen oder Veranstaltungen beschäftigt. Und ich stimme dem Herausgeber in seiner Einschätzung zu, dass die Inhalte in dieser komprimierten Form und hohem Transferanteil zur Praxis bislang nicht Gegenstand von praxisorientierten Curricula sind. Es bleibt damit zunächst jeder verantwortungsbewussten Führungskraft zunächst selbst überlassen, sich mit diesem Werk weiterzubilden und die Inhalte auf geeignete Weise zu vermitteln, um die eigene und die Sicherheit der ihr anvertrauten Einsatzkräfte wirksam zu erhöhen.

Rudi Heimann, Polizeivizepräsident des Polizeipräsidiums Südhessen

 

Zu empfehlen

Sascha Kische, Sebastian König, Kathrin Wick-Rentrop, Pascale Woeste, Strafrecht in polizeilichen Ermittlungen – Fälle und Lösungen aus dem Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2023, Neuerscheinung bei Kriminalistik, C.F. Müller GmbH, 188 S., flexibler Einband, auch als E-Book erhältlich, 28 Euro

„Juristisches Grundverständnis ist für den Polizeiberuf unverzichtbar! Strafrechtliche Grundkenntnisse in polizeilichen Ermittlungen sind es ebenso.“ Mit dieser Feststellung und dem Hinweis, dass zu deren Umsetzung ein Lernprozess, der theoretische und praktische Grundlagen und einen entsprechenden Wissenstransfer voraussetzt, erforderlich sei, führen die Autoren in die Herausforderungen, die die Anwendung des Strafrechts in polizeilichen Ermittlungen mit sich bringt, ein.

Die Autoren sind als Professoren bzw. Lehrkräfte an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein- Westfalen tagtäglich mit der Vermittlung der die Schwerpunkte des vorliegenden Buches ausmachenden Lehrinhalte für Polizistinnen und Polizisten betraut.

Ausweislich des Vorworts richtet sich das Buch sowohl an Studentinnen und Studenten polizeilicher Bildungseinrichtungen – hier vor allem mit Blick auf Klausurvorbereitungen – als auch an polizeiliche Praktiker, die mit Ermittlungsaufgaben betraut sind.

Das Buch ist in neun Kapitel gegliedert. Darin werden 24 Fallkonstellationen und deren Bearbeitung im Stile gutachterlicher Lösungen dargestellt. In den Falllösungen werden die bekannten Prüfungsschritte abgebildet. Die dargestellten Sachverhalte sind regelmäßig an Entscheidungen deutscher Gerichte angelehnt. Definitionen werden meist dem Kurzkommentar zum Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen von Thomas Fischer (69. Auflage, 2022) entnommen. Spezifische Erläuterungen, Verweise auf andere Normen und bisweilen auch Praxisbezüge werden als „Hinweis“ gekennzeichnet und besonders hervorgehoben.

Dem Textteil schließt sich ein überschaubares Literaturverzeichnis an. Ein Stichwortverzeichnis vermisst man hingegen.

Mit dem vorliegenden Buch gelingt es den Autoren, „Polizeistudenten“ die Notwendigkeit des Erschließens der komplexen strafrechtlichen Materie für die Bewältigung von Ermittlungsaufgaben im Polizeiberuf leichtverdaulich darzustellen. Allerdings ist mit der gewählten Darstellungsform auch die Gefahr des ausschließlich auf das Bewältigen von Prüfungen ausgerichteten Erschließens verbunden. Das entspricht offenbar der Philosophie des Studienganges. Da das Buch verständlich geschrieben, übersichtlich in der Darstellung ist und zudem auch polizeilichen Praktikern zu empfehlen ist, reicht es trotz des Gutachterstils als Literatur über die Studienbewältigung hinaus. Es ist daher als ergänzende Literatur, etwa zu „Ermittlungsverfahren und Polizeipraxis, Einführung in Recht und Organisation“ von Michael Soiné (3. Aufl. 2022), zu empfehlen.

Beim Preis hätte ich mir sowohl mit Blick auf den Umfang des Buches als auch vor dem Hintergrund der doch stark auf Klausurbewältigung ausgerichteten Schwerpunktsetzung etwas mehr Zurückhaltung gewünscht.

Ltd. KD a. D. Ralph Berthel

 

Ein praxisnahes Handbuch

Tido Park, Durchsuchung und Beschlagnahme, 5. Aufl. 2022, C. H. Beck Verlag München, kart., 356 S., 95 Euro

Circa vier Jahre sind seit der Vorauflage des Handbuches (2018) verstrichen. In diese Zeit fallen etliche Neuregelungen der Strafprozessordnung (§§ 95a, 100b Abs. 2, 104) die allein eine Neubearbeitung rechtfertigen. Darüber hinaus galt es, einschlägige aktuelle Judikate – insbesondere des Bundesgerichtshofs – einzuarbeiten. Auch das Bundesverfassungsgericht hatte mehrfach Gelegenheit, sich mit strafprozessualen Durchsuchungen bzw. Beschlagnahmen zu befassen, so z. B. bezüglich des für solche Maßnahmen erforderlichen Tatverdachts den Beschluss v. 21.7.2022 -2 BvR 1483/19. Die Ausführungen im Handbuch von Park zu diesem Thema (s. Rnr. 38 ff.) greifen die einschlägige Rechtsprechung auf und nehmen hierzu präzise Stellung. Entsprechendes gilt für den Aspekt der Verhältnismäßigkeit (s. z. B. BVerfG, Beschl. v. 29.7.2020 – 2 BvR 1188/18). Park führt hierzu kritisch aus, der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit finde in der Praxis oftmals zu wenig Beachtung (Rn. 91).

Auch ansonsten lässt das Handbuch keine Wünsche offen. Erläutert werden in sachlicher und zugleich anschaulicher Form die formellen und materiellen Voraussetzungen von Durchsuchungen und Beschlagnahmen. Das ergänzend behandelte Thema „Verwertungsverbote“ schließlich ist nicht nur für Verteidiger interessant, sondern auch für Strafverfolgungsbehörden, denen daran gelegen sein sollte, derartige Stolperfallen zu umgehen. Die Darstellung wird abgerundet durch zahlreiche Beispiele aus der Praxis und Checklisten (s. das entsprechende Verzeichnis und z. B. Rn. 95 und 96). Auch „Hinweise“ für das zweckmäßige Verhalten in der Stresssituation einer Durchsuchung fehlen nicht (Rn. 306 ff.).

Fazit: Ein praxisnahes Handbuch, das nicht nur Strafverteidigern, sondern auch den Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden gute Dienste leisten kann. Auch für die Ordnungsbehörden ist die Darstellung von Nutzen, weil über die Verweisung in § 46 Abs. 1 OWiG auch der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit Durchsuchungen und Beschlagnahmen rechtfertigen kann. Nicht zuletzt empfiehlt es sich, das Werk im Rahmen des Studiums, insbesondere bei häuslichen Arbeiten, zu Rate zu ziehen.

Prof. Dr. Jürgen Vahle, Bielefeld


Verlag C.F. Müller

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