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Ausgabe April 2023

Fachartikel

Cybergrooming

Kindgerechte (Instagram-)Accounts bei der Polizei in NRW
Zur Bekämpfung von Cybergrooming/Teil 1
Von Wiebke Buschmann und Thorsten Floren
(PDF-Download des Literaturverzeichnisses)

Cybergrooming
Ein Plädoyer für die systematische Evaluation von Präventionskonzepten anhand von Risikofaktoren
Von Niklas Himmel

 

Deradikalisierungsprogramme

Wie lässt sich mit Verstellung und Täuschung in Deradikalisierungsprogrammen umgehen?
Ergebnisse aus einem internationalen Forschungsprojekt
Von Daniel Köhler, Adrian Cherney und Amy Templar

 

Vernehmungen

„Kundenzufriedenheit“
Eine qualitative Untersuchung der Erfahrungen von Strafgefangenen mit kriminalpolizeilichen Vernehmungen/Teil 4
Von Cathrin Chevalier und Uwe Rüffer

 

Reichsbürger und Selbstverwalter

Das Gefahrenpotenzial militanter „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, Rechtsextremisten und „Delegitimierer“
Eine Analyse vor dem Hintergrund der Festnahmen am 7.12.2022
Von Stefan Goertz

 

Geldwäsche

Geldwäschebekämpfung in der EU
Versuch einer Einordnung
Von Burkhard Mühl

 

Wiedererkennungsverfahren

Identifizierungsmaßnahmen im Wiedererkennungsverfahren
Zur Neuformulierung von Nr. 18 RiStBV
Von Ina Mahl

 

Kriminalistik-Schweiz

Grosse sprachliche Vielfalt auf kleinem Raum 
Chancen und Herausforderungen für die forensische Phonetik in der Schweiz
Von Hanna Ruch, Andrea Fröhlich und Sarah Lim

 

Kriminalistik-Campus

Das Prostitutionsverbot in Form des Nordischen Modells 
Könnte die Einführung des Nordischen Modells dazu geeignet sein, den Menschenhandel in Deutschland zu bekämpfen?
Von Justus Schauß

Anpassungsbedarf polizeilicher Maßnahmen an eine alternde Gesellschaft
Am Beispiel der Vernehmung
Von Catrin Pleitgen

 

Recht aktuell

Strafbarkeit der Fälschung von Corona-Impfbescheinigungen

 

Literatur

Für Berufseinsteiger von Polizei und Praxis
Patrick Niegisch, Markus Matthias Thielgen: Einführung in die Vernehmungspraxis

Deutsche Geschichte aus rechtsmedizinischer Perspektive
Katja Niedergesäß, Sven Hartwig (Hrsg.): Todesfälle an der Berliner Mauer

 

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Fachartikel

Kindgerechte (Instagram-)Accounts bei der Polizei in NRW
Zur Bekämpfung von Cybergrooming/Teil 1
Von Wiebke Buschmann und Thorsten Floren
Digitale Angebote weisen sich in mannigfaltigen Ausformungen gerade auch für die jüngsten, schwächsten und somit schützenswertesten Menschen in unserer Gesellschaft, den Kindern, als eine Lern- und Kommunikationsplattform aus, die zugleich aber auch mit negativen Aspekten behaftet sind. Neben der Verpflichtung zur Strafverfolgung stellt ebenfalls die präventive Ausrichtung einen zentralen Bekämpfungsansatz im Bereich des Cybergroomings dar. Die vielfältigen Chancen hierzu sollen beispielhaft durch die Einrichtung von kindgerechten (Instagram-)Accounts bei der Polizei NRW aufgezeigt werden. Hierzu wird im ersten Teil auf die Entwicklung und aktuelle Präsenz digitaler Medien eingegangen, wobei der Blick neben der kindlichen Anwendung gerade auch auf die Perspektive der Erziehungsberechtigten sowie die polizeiliche Präsenz im digitalen Raum ausgerichtet ist. Im zweiten Teil werden Chancen und Risiken eines derartigen Pilotprojektes in Form einer hypothetischen Umsetzung veranschaulicht, bei welcher psychologische Erkenntnisse im Bereich Kindernachrichten, ausgewählte Präventionsprojekte, mögliche Werbemaßnahmen und Hindernisse den Umsetzungsrahmen bilden.
(PDF-Download des Literaturverzeichnisses)

Cybergrooming
Ein Plädoyer für die systematische Evaluation von Präventionskonzepten anhand von Risikofaktoren
Von Niklas Himmel
Kinder und Jugendliche lernen bereits in frühen Jahren den Umgang mit digitalen Medien und virtuellen Welten. Virtuell viele neue Personen kennenzulernen, geht aber mit der Gefahr einher, Opfer einer onlinebasierten Anbahnung eines sexuellen Missbrauchs in Form des Kriminalitätsphänomens Cybergrooming zu werden. Gegenstand dieses Aufsatzes, dem eine wesentlich umfassendere Bachelor-Arbeit zu Grunde liegt, ist die Frage, welche Ansätze der opferzentrierten Prävention vorliegen und welche Risikofaktoren dabei behandelt werden? Einen großen Teil der Ausarbeitung nimmt der Themenkomplex der Prävention ein, in dem drei ausgewählte Präventionskonzepte vorgestellt- und anhand einer eigens entwickelten Methodik im Hinblick auf die berücksichtigten Risikofaktoren bewertet werden.

Wie lässt sich mit Verstellung und Täuschung in Deradikalisierungsprogrammen umgehen?
Ergebnisse aus einem internationalen Forschungsprojekt
Von Daniel Köhler, Adrian Cherney und Amy Templar
Das Kompetenzzentrum gegen Extremismus in Baden-Württemberg (konex) des Landeskriminalamts hat im Sommer 2022 zusammen mit der Queensland Universität in Australien eine Studie zur Erkennung von und Umgang mit Verstellung und Täuschung in der Deradikalisierungsarbeit durchgeführt. Durch Interviews mit Beratungspersonal verschiedener Programme in vier Ländern, Fallstudien und einer umfassenden Literaturrecherche wurden einige Empfehlungen erarbeitet, die in Ausstiegsprogrammen umgesetzt werden können. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.

„Kundenzufriedenheit“
Eine qualitative Untersuchung der Erfahrungen von Strafgefangenen mit kriminalpolizeilichen Vernehmungen/Teil 4
Von Cathrin Chevalier und Uwe Rüffer
Die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege Mecklenburg – Vorpommern (FHöVPR M-V) war Projektpartner des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojektes „Befragungsstandard für Deutschland – BEST“. Wie der Name des Projektes es bereits erahnen lässt, war es das Ziel, im Zeitrahmen von 2019 -2021 den Stand der Vernehmungsausbildung in Deutschland zu erfassen sowie Aussagen und Empfehlungen zur Aus– und Fortbildung von Vernehmern2 zu treffen. Projektpartner waren das LKA Niedersachsen, die Steinbeis-Hochschule in Berlin sowie die FHöVPR M-V. Da die Autoren insbesondere in der Vernehmerausbildung tätig sind, gilt den entsprechenden Untersuchungen und Ableitungen für die Praxis ihre besondere Aufmerksamkeit. Hierzu leistet die nachfolgende Darstellung einen abschließenden Beitrag.
Teil 1, erschienen in Kriminalistik 12/2022
Teil 2, erschienen in Kriminalistik 1/2023
Teil 3, erschienen in Kriminalitsik 2/2023

Das Gefahrenpotenzial militanter „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, Rechtsextremisten und „Delegitimierer“
Eine Analyse vor dem Hintergrund der Festnahmen am 7.12.2022
Von Stefan Goertz
Dieser Beitrag untersucht vor dem Hintergrund der jüngsten polizeilichen Maßnahmen das Gefahrenpotenzial, das von militanten „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“, Rechtsextremisten und „Delegitimierern“ ausgeht. Zu Beginn wird der mutmaßliche Plan eines Staatsstreiches, eines „Systemsturzes“ – nach dem aktuellen Informationsstand – einer Organisation um Heinrich VIII Prinz Reuß dargelegt. Die sich anschließende kurze Definition und Beschreibung dieser drei Phänomenbereiche dient der Abgrenzung von den jeweils anderen Phänomenbereichen. Das Hauptkapitel vier untersucht abschließend das Gefahrenpotenzial dieser drei Phänomenbereiche und ihrer Akteure.

Geldwäschebekämpfung in der EU
Versuch einer Einordnung
Von Burkhard Mühl
Die Bekämpfung der Geldwäsche sowie Maßnahmen der Vermögensabschöpfung stellen einen zentralen Bestandteil der Bekämpfung schwerer und organisierter Kriminalität wie auch der Terrorismusfinanzierung dar. Europol ergänzt und unterstützt neben weitere Institutionen auf Ebene der EU die nationalen Anstrengungen und ist mittlerweile zu einem wichtigen Partner der nationalen Behörden geworden. Der nachfolgende Beitrag berichtet kurz zur Genese der Geldwäschebekämpfung auf europäischer Ebene, geht auf aktuelle Initiativen und Problemstellungen ein und legt die umfangreichen Unterstützungsmöglichkeiten Europols für die Mitgliedstaaten dar.

Identifizierungsmaßnahmen im Wiedererkennungsverfahren
Zur Neuformulierung von Nr. 18 RiStBV
Von Ina Mahl
Im Rahmen eines Wiedererkennungsverfahrens stehen mehrere Möglichkeiten zur Identifizierung eines Täters zur Verfügung. Die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) dienen dazu, einheitliche Standards in dem Vorgehen der Ermittlungsbehörden zu gewährleisten. Die aktuelle Formulierung der Nr. 18 RiStBV, der die „Gegenüberstellung und Wahllichtbildvorlage“ regelt, bildet zwar ausgewählte Maßnahmen im Rahmen eines Wiederkennungsverfahrens ab, bleibt jedoch in der Durchführung der jeweiligen Maßnahme unpräzise, sodass über eine Neuformulierung der Verwaltungsvorschrift nachgedacht werden könnte.

Kriminalistik Schweiz

Redaktion: Schweizerische Kriminalprävention, Chantal Billaud

Grosse sprachliche Vielfalt auf kleinem Raum
Chancen und Herausforderungen für die forensische Phonetik in der Schweiz
Von Hanna Ruch, Andrea Fröhlich und Sarah Lim
Die sprachliche Situation in der Deutschschweiz unterscheidet sich in mehrerer Hinsicht von derjenigen Deutschlands oder Österreichs. In der Schweiz werden nicht nur mehrere Landes-  und Nichtlandessprachen, sondern auch zahlreiche Dialekte und ein „anderes“ Standarddeutsch gesprochen (und geschrieben). Dieses Neben- und Miteinander verschiedener Sprachen und Sprachformen hat auch Konsequenzen für die forensisch-phonetische Fallarbeit. Der Artikel beschreibt die Rolle der Dialekte und des Standarddeutschen, Besonderheiten des Schweizerhochdeutschen sowie von Jugendlichen verwendete Sprachformen und diskutiert damit verbundene Herausforderungen und Chancen für die forensische Phonetik.

 

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Kriminalistik Campus

Redaktion:
Prof. Dr. Sigmund P. Martin, LL.M. (Yale), Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Kriminalpolizei, Wiesbaden; 
Matthias Lapp, Leiter Fachgebiet III.2, Kriminalistik-Grundlagen der Kriminalstrategie, Deutsche Hochschule der Polizei, Münster

Das Prostitutionsverbot in Form des Nordischen Modells
Könnte die Einführung des Nordischen Modells dazu geeignet sein, den Menschenhandel in Deutschland zu bekämpfen?
Von Justus Schauß
Der Aufsatz thematisiert die rechtlichen Regelungen des Prostitutionswesens in Deutschland und Schweden und stellt deren Auswirkungen auf den Menschenhandel dar. Er orientiert sich an der Leitfrage, ob das in Schweden geltende sogenannte Nordische Modell für Prostitution bei der Bekämpfung des Menschenhandels vorteilhafter als die deutschen Regelungen sein könnte. Das Nordische Modell besteht im Wesentlichen aus der Kriminalisierung des Kaufs sexueller Dienstleistungen und der Legalisierung des Verkaufs solcher. Demnach verfolgt das Nordische Modell das Ziel, Prostitution als Phänomen gesellschaftlich als etwas Negatives zu konnotieren und dadurch langfristig zu verdrängen. Dabei sollen die Prostituierten selbst jedoch geschützt und deren Ausstieg aus dem Gewerbe erleichtert werden.

Anpassungsbedarf polizeilicher Maßnahmen an eine alternde Gesellschaft
Am Beispiel der Vernehmung
Von Catrin Pleitgen
„Das Alter ist kein Problem, es ist eine Errungenschaft. Das Problem ist, dass wir keine Gesellschaft [...] haben, die sich dieser Errungenschaft anpasst“ (Dasai, 2002, zitiert nach Kannegießer, 2002, S. 2). Aus dieser Feststellung lässt sich die Frage ableiten: Erfordert eine alternde Gesellschaft ein angepasstes Vorgehen der Polizei bei Vernehmungen? In dieser Arbeit soll die Bedeutung der Gruppe der Älteren dargestellt werden. In Kapitel 1 wird dafür zunächst der Begriff „Ältere“ näher bestimmt. Um das Erfordernis einer Anpassung zu beleuchten, wird die Relevanz der Gruppe anhand einer demografischen und kriminalistischen Betrachtung dargestellt. Nachfolgend werden mögliche Unterschiede im Vergleich zu anderen Altersgruppen ausgearbeitet. Anschließend werden aus polizeilicher Sicht Probleme mit Älteren im Rahmen von Vernehmungen und mögliche Verbesserungen thematisiert. Im letzten Kapitel werden die Ausarbeitungen diskutiert und ein Ausblick gegeben. Sofern Bezug zu angewandten Vernehmungsmethoden hergestellt wird, wird sich diese Arbeit auf die Vorgehensweise der Polizei in Nordrhein-Westfalen (NRW) beschränken.

 

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Recht aktuell

Strafbarkeit der Fälschung von Corona-Impfbescheinigungen
§ 277 StGB (a. F.) entfaltet keine „Sperrwirkung“ gegenüber der Urkundenfälschung (§ 267 StGB), wenn der Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen nicht (vollständig) erfüllt ist.

BGH, Urt. v. 10.11.2022
5 StR 283/22
jv

 

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Literatur

Für Berufseinsteiger von Polizei und Praxis
Patrick Niegisch, Markus Matthias Thielgen: Einführung in die Vernehmungspraxis. Kompetenz – Konzept – Kommunikation. Grundlagen. Heidelberg: Kriminalistik, 2022. 340 S., Paperback, 30 Euro

Ziel einer Rezension ist es aus unserer Sicht nicht ein Werturteil abzugeben, sondern eher konstruktive, im Zuge der Auseinandersetzung bestenfalls sogar zu weiterer Erkenntnis führende Anregungen zu geben. Niegisch und Thielgen wenden sich mit ihrem Fachbuch an Berufseinsteiger von Polizei und Praxis. Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang, „...welche Faktoren eine erfolgreiche Vernehmung ausmachen“ beantworten sie unmittelbar mit Bezug auf ihr 3 K Modell (Kompetenz – Konzept – Kommunikation). Dieses 3 K Modell bildet zugleich die Struktur des vorliegenden Werkes.
So wird die Kompetenz schlüssig durch vier Teilbereiche (rechtliche, psychologische, methodische, soziale/persönliche Fachlichkeit) bestimmt. Konzept und Kommunikation werden jeweils durch allgemeine und spezielle, (unmittelbar auf die Vernehmung angewandte) Aspekte abgebildet. Damit geben sie dem Leser eine konsistente formal-inhaltliche Struktur.
Das 3 K Modell ist jedoch weniger ein Vernehmungsmodell – wie der Buchtitel vermuten lässt, sondern eher ein pädagogisches Konstrukt. Lobenswert ist dabei der Blick auf die Entwicklung von Vernehmerkompetenz. Das Angebot, das Dreyfus – Modell nach Tom Rudelt auf die Vernehmerausbildung anzuwenden, hat einen gewissen Charme.
Die Darstellung des rechtlichen Rahmens ist wie üblich sehr umfangreich. Dass der psychologischen Fachkompetenz aber einen gleichwertigen Raum gegeben wird, ist aus unserer Sicht in der Fachliteratur überfällig. Die Auswahl der einzelnen Themenschwerpunkte erfolgt anhand der allgemeinen Definition von Psychologie und daraus vermeintlich resultierenden Anwendungsgebieten. 
Positiv ist die Diskussion des Vernehmungserfolges hervorzuheben, die u. a. mithilfe von Gütekriterien empirischer Forschung erfolgt.
Die Autoren haben eine große Anzahl (vor allem auch psychologisches) Wissen zusammengetragen. Um aber einem eklektizistischen Eindruck entgegenzuwirken, könnten die Autoren ihren Adressaten (Berufsanfängern) durchaus auch eigene, begründete Meinungen und Konstrukte an die Hand geben. Insgesamt weist dasWerk Ressourcen in der Verwendung der (nicht nur) kriminalistischen Begriffe und Denkweisen auf. Hilfreich wäre, sich auf bereits in die Kriminalistik eingeführte Begriffe – wie Vernehmungstechnik, Vernehmungstaktik – zu beziehen und diese konsistent zu verwenden.

Uwe Rüffer, Cathrin Chevalier

 

Deutsche Geschichte aus rechtsmedizinischer Perspektive
Katja Niedergesäß, Sven Hartwig (Hrsg.): Todesfälle an der Berliner Mauer – eine rechtsmedizinische Analyse, Lehmanns Media GmbH, Berlin, 2022, 181 S., Softcover, 19,95 Euro

Mit ihrer Dissertation zu Folgen des Baus der Berliner Mauer 1961 öffnet die Autorin ein prägendes Kapitel der deutschen Geschichte und schließt mit ihrer rechtsmedizinischen Analyse der Todesfälle an der damaligen Sektorengrenze eine bedeutsame Forschungslücke. Die Erschließung der sog. „Mauertoten“ über die Erforschung der für die Leichenschau und -öffnungen zuständigen Institutionen, ihrer Vorgehensweisen, der Rechts- und Vorschriftenlage sowie durch die Plausibilitätsprüfung der Sektionsprotokolle und Totenscheine bestätigt bisherige Forschungsergebnisse wie z. B. von Hertle, HH und Nooke, M in „Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961 – 1989: Ein biographisches Handbuch“ von 2019 im Wesentlichen und ergänzt bzw. korrigiert diese in Einzelfällen wo es angezeigt erscheint. Ein weiteres wesentliches Ergebnis ist die Feststellung, dass abgesehen von wenigen Ausnahmen keine Einflussnahme auf die rechtsmedizinische Untersuchung im Sinne einer Manipulation vorgenommen wurde. Hinsichtlich der medizinischen Versorgung der bei der Unterbindung von Fluchtversuchen verletzten Personen und der damit verbundenen Frage der Rettbarkeit konnten zwar anhand der Sektionsprotokolle Aussage zu Personen getroffen werden, bei denen eine Rettung auch bei schneller medizinischer Versorgung unwahrscheinlich bis unmöglich gewesen wäre. Bezüglich weniger schwer verletzter Personen war jedoch aufgrund des Untersuchungsansatzes die Datenlage generell nicht ausreichend. Dennoch lassen Einzelsachverhalte, bei denen vor der medizinischen Versorgung zunächst eine Vernehmung erfolgte, am uneingeschränkten Willen, das Leben der verletzten Personen zu retten bzw. ihre Gesundheit zu schützen zweifeln. Die Tatsache, dass der Großteil der Todesfälle unmittelbar oder mittelbar auf einen Schusswaffengebrauch zurückzuführen ist, dieser auch oftmals ungezielt per Feuerstoß erfolgte, belegt, dass dem sog. „Schießbefehl“, welcher erst 1982 gesetzlich festgeschrieben wurde, nachgekommen und dabei die Verhinderung der Flucht über das Leben der Menschen gestellt wurde.
Mit ihrer Forschungsarbeit hat die Autorin als wesentlichen Teil dieselben umfangreichen Daten in Form der Sektionsprotokolle und begleitender Dokumente erhoben, welche nun für weitere Forschungsvorhaben genutzt werden können. Sie leistet damit einen weitergehenden Beitrag zur Aufhellung dieses dunklen Kapitels deutscher Geschichte.
Die Darstellung enthält neben einem Literatur- und Quellenverzeichnis ein Inhalts-, ein Abkürzungs-, ein Abbildungs- sowie ein Tabellenverzeichnis.

Joachim Faßbender


Verlag C.F. Müller

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