Fachartikel
Bestechlichkeit
Sex gegen Karriere
Krimineller Machtmissbrauch oder nur ein unmoralisches Angebot?
Von Claudia Puglisi
Linksextremismus
Die Faust als die Synthese der Theorie
Radikalisierung linker Gewalt am Beispiel der Gruppe um Lina E.
Teil 1: Prozess mit Besonderheiten
Von Jan Böhme, Mikhail Logvinov
(Teil 2 in Ausgabe 8-9/2023)
Terrorismus
Einfluss baulicher Strukturen auf die Auswahl terroristischer Anschlagsziele
Eine kriminaltheoretische Betrachtung – Teil 1
Von Leon Eßer
(Teil 2 in Ausgabe 10/2023)
Comparative aspects of the state of terrorism in the period of the COVID-19 pandemic at the global level and in Kosovo
By Florent Azemi, Mensur Morina and Fatos Haziri
Internetrecherche
Polizeipräsidium Freiburg ist Vorreiter bei OSINT-Recherche in Baden-Württemberg
Von Florian Wissert
Bundeskriminalamt
Burnout im Bundeskriminalamt
Von Karl-Heinz Fittkau und Hagen Reinhardt
(Teil 2 in Ausgabe 10/2023)
DNA-Analytik
SmartRank: Erweiterte Datenbank-Recherche im Bereich der DNA-Analytik
Die Möglichkeiten der Recherche von DNA-Mischspuren werden durch die Verwendung der Software SmartRank verbessert.
Von Dr. Tim Thurau, Finn Herbst und Dr. Sonja Menges
Kriminalistik-Schweiz
Der Einsatz von „Künstlicher Intelligenz“ in der forensischen Fallarbeit
Teil 2: Die Maschine findet noch geringste Reste von Treibstoffbenzin im Brandschutt
Von Martin Lory, Michael Bovens
(Teil 1 in Kriminalistik 3/2023)
Kriminalistik-Campus
Die Strafbarkeit des Grey-Hat-Hacking
Gemäß § 202a und § 202c StGB bei der Durchführung von Responsible Disclosures
Von T. Schneider
Die Strafbarkeit des Scalping
Eine rechtliche Analyse unter Betrachtung des Insiderhandels, der Marktmanipulation und des Betruges
Von Marc Binninger
Recht aktuell
Vorenthalten von eingenommenen Verwarnungsgeldern und Untreue
Literatur
Aktueller Kommentar zur StPO
Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung mit GVG und Nebengesetzen
Aktueller Kommentar zum StGB
Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen
Forschungsarbeit zur Geheimen Feldpolizei
Eberhard Stegerer, Die Geheime Feldpolizei im „Dritten Reich“ 1939 – 1945
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Fachartikel
Sex gegen Karriere
Krimineller Machtmissbrauch oder nur ein unmoralisches Angebot?
Von Claudia Puglisi
Im vorliegenden Artikel wird ein konkreter Fall des sexualisierten Machtmissbrauchs in der Polizei besprochen. Ein hochrangiger Polizeibeamter hatte eine Angestellte in einem Vier-Augen-Gespräch gefragt, ob diese bereit sei, sich „hochzuschlafen“. Er hatte also Sex gegen Karriere für sich eingefordert. Die Angestellte weist das „unmoralische Angebot“ entschieden zurück und bittet zunächst vergeblich in der Polizei um Hilfe. Erst Jahre später erstattet sie hierzu Anzeige. Es wird anhand dieses Falles dargelegt, auf welchen rechtlichen Grundlagen ein Verfahren wegen Bestechlichkeit nach § 332 StGB einleitet wurde – und wie es trotz der Aussage-gegen-Aussage-Konstellation zur Verurteilung des Polizeibeamten kam, die schließlich durch den BGH bestätigt wurde.
Die Faust als die Synthese der Theorie
Radikalisierung linker Gewalt am Beispiel der Gruppe um Lina E.
Teil 1: Prozess mit Besonderheiten
Von Jan Böhme, Mikhail Logvinov
Der erste Teil der vorgesehenen Beitragsreihe zur mutmaßlichen linksextremistischen kriminellen Vereinigung um Lina E. widmet sich den Anklagepunkten der Bundesanwaltschaft, der Rolle und den prozessualen Besonderheiten des Verfahrens sowie Reaktionen der Szene auf seinen Ausgang. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den Ereignissen im Anschluss an die Urteilsverkündung durch das OLG Dresden.
Anmerkungen (PDF-Download), (Teil 2 in Ausgabe 8-9/2023)
Einfluss baulicher Strukturen auf die Auswahl terroristischer Anschlagsziele
Eine kriminaltheoretische Betrachtung – Teil 1
Von Leon Eßer
Was wäre, wenn es zur Abwendung von terroristischen Anschlägen Maßnahmen gäbe, die nicht in die Grundrechte von Individuen eingreifen und im Vergleich zu anderen präventiven Maßnahmen wie Deradikalisierungsprogrammen nur ein Minimum an Personaleinsatz erfordern? Dieser Frage wird im Rahmen des folgenden Artikels, dem eine wesentlich umfangreichere Bachelor- Arbeit zu Grunde liegt, nachgegangen, indem der Einfluss baulicher Strukturen auf die Auswahl terroristischer Anschlagsziele und der präventive Einfluss solcher Strukturen untersucht wird. Dabei wird nicht nur dargelegt, aus welchen Gründen bauliche Strukturen die Auswahl von Anschlagszielen beeinflussen, sondern es werden auch Instrumente vorgestellt, um die Attraktivität von bestimmten Strukturen als Anschlagsziel zu bestimmen. Des Weiteren wird gezeigt, dass sich anhand dieser Instrumente herausfinden lässt, für wie geeignet Lone-Wolf-Terroristen eine Struktur als Ziel eines Anschlags halten. Auf der Basis dieser Erkenntnisse lassen sich bauliche Maßnahmen konzeptualisieren, die auf die Stärken und Schwächen des jeweiligen terroristischen Akteurs abgestimmt sind und die die Begehung von Anschlägen gegen die jeweilige Struktur verhindern können.
(Teil 2 in Ausgabe 10/2023)
Comparative aspects of the state of terrorism in the period of the COVID-19 pandemic at the global level and in Kosovo
By Florent Azemi, Mensur Morina and Fatos Haziri
In this research, we have addressed the state of global terrorism by comparing it with the state of terrorism in Kosovo. The period of the COVID-19 pandemic may have reflected positively by hindering some terrorist activities, but the economic damage to vulnerable social layers may give extremist groups new opportunities to attract new recruits, and Kosovo may also be affected by this risk. Kosovo, as a small country, although with its problems in the north in relation to Serbia, has continuously cooperated and coordinated its work with the international community in Kosovo and in particular with their missions, such as the NATO mission in Kosovo, KFOR and EULEX rule of law mission. During the period of the COVID-19 pandemic, Kosovo has managed the security situation well, with no cases of terrorism recorded thanks to international cooperation and its legal aspect, where in particular it has completed the Antiterrorism Strategy 2018–2023.
Polizeipräsidium Freiburg ist Vorreiter bei OSINT-Recherche in Baden-Württemberg
Von Florian Wissert
Seit April 2022 werden im FLZ Freiburg OSINT (Open Source Intelligence) – Auswertungen im Regelbetrieb durchgeführt. Hierbei werden Informationen aus frei verfügbaren Quellen des Internets verwendet, um fahndungsunterstützende Hinweise zu erlangen oder neue Ermittlungsansätze zu generieren. Möglich machte dies ein Pilotprojekt, welches POK FlorianWissert im Zuge seiner Bachelorthesis im FLZ Freiburg durchführte und welches auf dem bundesweiten Projekt „Sentinel“ der Deutschen Hochschule der Polizei aufbaut. Dieses untersuchte die zukünftige Bedeutung einer einsatzunterstützenden OSINT-Auswertung. Die Ergebnisse der Studie wurden auf das PP Freiburg transferiert und in die tägliche Arbeit des FLZ implementiert. Für diese Arbeit wurde POK Wissert nun am 4.5.2023 mit dem zweiten Platz beim „Zukunftspreis Polizeiarbeit“ im Rahmen des Europäischen Polizeikongresses in Berlin ausgezeichnet.
Burnout im Bundeskriminalamt
Von Karl-Heinz Fittkau und Hagen Reinhardt
Die nachfolgend dargelegte Studie untersuchte die Verbreitung von Burnout im Bundeskriminalamt (BKA) und mögliche soziodemografische Differenzierungen. Angeschrieben wurden 2151 Mitarbeitende; 494 Mitarbeitende (n = 494) haben an der Umfrage teilgenommen und den Fragebogen vollständig ausgefüllt (Rücklaufquote = 22.97%). Burnout-Gefährdungen konnten zwar nachgewiesen werden, aber nicht in dem in polizeirelevanten Studien berichteten Ausmaß. Der erste Teil der Darstellung beschreibt die Problemstellung und den aktuellen Forschungsstand. In einem Folgebeitrag wird die darauf aufsetzende Studie dargestellt.
Literaturverzeichnis (PDF-Download), (Teil 2 in Ausgabe 10/2023)
SmartRank: Erweiterte Datenbank-Recherche im Bereich der DNA-Analytik
Die Möglichkeiten der Recherche von DNA-Mischspuren werden durch die Verwendung der Software SmartRank verbessert.
Von Dr. Tim Thurau, Finn Herbst und Dr. Sonja Menges
Es ist die Aufgabe von kriminaltechnischen DNA-Untersuchungsstellen, den Informationsgehalt von sogenannten „Mischspuren“ für die Ermittlungsdienststellen nutzbar zu machen. Für die Sachbearbeitung stellt sich in diesen Fällen die Frage, ob die Aussagekraft der Zuordnung einer solchen Mischspur zu einer konkreten Person ggf. als aussagekräftiger Sachbeweis verwendet werden kann. In bestimmten Fällen können moderne Software-Programme hier mithilfe von Algorithmen Abhilfe schaffen. Das Programm SmartRank zur Recherche von DNA-Mischspuren in Datenbanken findet seit März 2020 beim BKA Anwendung.
Kriminalistik Schweiz
Redaktion: Schweizerische Kriminalprävention, Chantal Billaud
Der Einsatz von „Künstlicher Intelligenz“ in der forensischen Fallarbeit
Teil 2: Die Maschine findet noch geringste Reste von Treibstoffbenzin im Brandschutt
Von Martin Lory und Michael Bovens
In diesem 2. Teil wollen wir eine konkrete forensische Anwendung aufzeigen, bei welcher sich der Einsatz von „Machine Learning“ als äusserst nützlich erwiesen hat. Es geht darum, in Brandüberresten Spuren von Treibstoffbenzin als potenzielles Brandbeschleunigungsmittel zu identifizieren. Für den Nachweis müssen die Gas-Chromatogramme der Brandschuttanalysen interpretiert werden. Zur Unterstützung der Expertise werden mit unserer (neuartigen) Vorgehensweise „Machine Learning“-Modelle eingesetzt, die treffsicher, schnell und objektiv diese komplexe Fragestellung beantworten. Wir zeigen auf, welche Schritte zur Datenaufbereitung, Auswahl der Daten sowie Modelloptimierung nötig waren und wie die Validierung der Modelle konkret ausgeführt wird, um Vertrauen in solche KI-Methoden gewinnen zu können. Weiter zeigen wir einen äusserst nützlichen Nebeneffekt bei der Bereinigung der Ausgangsdaten auf, nämlich die Chance, Fehlinterpretationen in vergangenen Fällen durch LOOCV („Leave one out cross validation“) zu finden, indem statistische Auffälligkeiten in den Falldaten erkannt werden. Daraus eröffnen sich neue Möglichkeiten in der Kriminalistik (Qualitätskontrolle, Cold Cases etc.). Allerdings müssen solche statistischen Ergebnisse vorsichtig und sachkundig interpretiert werden: Ausreisser sind eine statistische Tatsache und indizieren nicht zwangsläufig Fehler in Datensätzen.
(Teil 1 in Kriminalistik 3/2023)
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Kriminalistik Campus
Redaktion:Prof. Dr. Sigmund P. Martin, LL.M. (Yale), Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Kriminalpolizei, Wiesbaden
Die Strafbarkeit des Grey-Hat-Hacking
Gemäß § 202a und § 202c StGB bei der Durchführung von Responsible Disclosures
Von T. Schneider, Kriminalkommissar beim Bundeskriminalamt
Grey-Hat-Hacker:innen überprüfen IT-Systeme von Unternehmen, Institutionen und Behörden unaufgefordert auf Schwachstellen. Sie beabsichtigen damit in der Regel die digitale Infrastruktur sicherer zu machen und aufzuzeigen, dass die Mehrheit der IT-Systeme nicht zu einhundert Prozent sicher ist. Der vorliegende Aufsatz, dem eine wesentlich umfangreichere Bachelorarbeit zu Grunde liegt, beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit Grey-Hat-Hacker:innen – trotz positiver Absichten – durch ihr Handeln Straftaten im Sinne der §§ 202a, 202c StGB begehen. Insbesondere wird betrachtet, welche Absichten der Gesetzgeber mit der Einführung der Normen verfolgt hat und inwieweit sich diese Absichten in den Normen widerspiegeln. Auch wird der rechtfertigende Notstand thematisiert, welcher strafbare Handlungen von Grey-Hat-Hacker:innen rechtfertigen könnte.
Die Strafbarkeit des Scalping
Eine rechtliche Analyse unter Betrachtung des Insiderhandels, der Marktmanipulation und des Betruges
Von Marc Binninger, Kriminalkommissar beim Bundeskriminalamt
Der vorliegende Aufsatz, dem eine wesentlich umfangreichere Bachelor-Arbeit zu Grunde liegt, befasst sich mit der rechtlichen Einordnung des „Scalping“, einer speziellen Form der Marktmanipulation, bei welcher gemäß Art. 12 II lit. d MAR unter Ausnutzung eines Medienzuganges eine Stellungnahme zu einem Finanzinstrument abgegeben wird. Zuvor wurden bei diesem Finanzinstrument durch den Stellungnehmenden Positionen eingegangen. Anschließend wird Nutzen aus den Auswirkungen der Stellungnahme gezogen. Dabei ist entscheidend, dass der Täter der Öffentlichkeit den bestehenden Interessenkonflikt, dass er selbst diese Finanzinstrumente besitzt und somit ein Eigeninteresse an Kursveränderungen hat, nicht ordnungsgemäß mitgeteilt hat. Das Scalping ist grundsätzlich als Form der Marktmanipulation anzusehen. Jedoch kommen durch die Einführung der Marktmissbrauchsverordnung Zweifel auf, ob es sich hierbei nicht ebenso um eine verbotene Form sogenannter Insidergeschäfte handeln kann. Ebenso fraglich ist, ob Scalping nicht auch einen Betrug nach § 263 StGB darstellen kann.
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Recht aktuell
Vorenthalten von eingenommenen Verwarnungsgeldern und Untreue
1. Ein Polizeibeamter, der damit betraut ist, Verkehrsverstöße mittels Verwarnungsgeldern zu ahnden, kann im Fall der Nichtablieferung und eigenen Verwendung der eingenommenen Verwarnungsgelder den Tatbestand der Untreue gem. § 266 Abs. 1 StGB verwirklichen.
2. Bei Vorliegen einer Pflicht, über einkassierte Verwarnungsgelder abzurechnen und diese abzuliefern, wird eine besonders qualifizierte Pflichtenstellung gegenüber dem Dienstherrn begründet, die zum Kernbereich der dem Beamten obliegenden Dienstpflicht gehört.
3. Der Treubruchtatbestand des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB setzt darüber hinaus voraus, dass dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Letzteres kann jedenfalls dann angenommen werden, wenn das Einhalten dienstlicher Weisungen zur Aufbewahrung und Abführung der in Empfang genommenen Verwarnungsgelder nicht kontrolliert wird, da eine solche Situation dem Polizeibeamten die faktische Möglichkeit verschafft, auf das ihm anvertraute Fremdgeld zuzugreifen.
BayObLG, Urt. v. 28.9.2022
206 StRR 157/22
bb
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Literatur
Aktueller Kommentar zur StPO
Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung mit GVG und Nebengesetzen, 66. Aufl. 2023, 2867 Seiten, in Leinen, 109 Euro, C. H. Beck, ISBN 978-3-406-79872-6
Mit der aktuellen Auflage ist der Kommentar auf den Stand März 2023 gebracht worden. Mehr Aktualität ist bei einem gebundenen Werk kaum möglich. Insbesondere galt es, zahlreiche neue Entscheidungen des BGH, aber auch der Oberlandesgerichte einzuarbeiten, z. B. zur Reichweite des aus Verwertungsverbots (auch zugunsten von Mitbeschuldigten, s. § 136a Rn. 27) und zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen (s. § 32d Rn. 2). Darüber hinaus wurde auch die Literatur gründlich aktualisiert. Für die Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Polizei), die Strafgerichte und für Strafverteidiger dürfte die Heranziehung des Kommentars bei Zweifelsfragen im beruflichen Alltag zur selbstverständlichen Routine zählen. Die mit Ordnungswidrigkeitenverfahren befassten Verwaltungsbehörden müssen auf Grund der Verweisungsnorm des § 46 Abs. 1 OWiG partiell die Vorschriften der StP0 anwenden. Auch sie gehören daher zur Zielgruppe des Werkes. Dass Studierende an den Polizei- und Verwaltungs(-hoch)schulen gut beraten sind, den Kommentar insbesondere bei häuslichen Arbeiten zu Rate zu ziehen, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Fazit: Auch die aktuelle Auflage des „Meyer-Goßner/Schmitt“ ist eine Arbeitshilfe auf kaum zu übertreffendem Niveau. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist ausgezeichnet. Die Anschaffung kann des Kommentars kann ohne jede Einschränkung empfohlen werden.
Prof. Dr. Jürgen Vahle, Bielefeld
Aktueller Kommentar zum StGB
Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 70. Aufl. 2023, 2838 Seiten, geb., 105 Euro, C. H. Beck, ISBN 978-3-406-79239-7
Der Kommentar aus der Feder des Rechtsanwalts und Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof a. D. Thomas Fischer erscheint wie üblich ein Jahr nach der Vorauflage. Die aktuelle Auflage befindet sich auf dem Gesetzesstand vom 1. November 2022. Die Änderung des § 130 StGB – Einfügung des Absatzes 5 über das „gröbliche Verharmlosen“ von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen – durch das Gesetz vom 4.12. 2022 konnte noch in die Kommentierung einbezogen werden. Anlass für die die Neubearbeitung waren insbesondere neue Rechtsprechung und Literatur; laut Vorwort wurden mehrere hundert neue Entscheidungen eingearbeitet. Neben den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wurden auch solche von Oberlandesgerichten und für das Strafrecht relevante Judikate des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt. Die Vorzüge des handlichen und stets hochaktuellen Kommentars sind vielfach, auch in dieser Fachzeitschrift, beschrieben und gerühmt worden. Dem Lob lässt sich kaum etwas Originelles hinzufügen. Die herausgehobene Stellung des „Fischer“ im Bereich der Kommentare zum Strafgesetzbuch ergibt sich nicht zuletzt aus der glücklichen Verbindung von Praxisnähe und Wissenschaftlichkeit. Dass der Autor sich nicht scheut, gesetzgeberische Fehlleistungen mit deutlichen Worten anzuprangern, ist ein weiteres Plus auf der Habenseite.
Fazit: Der Kommentar gehört in jede Bibliothek
der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden. Angesichts des immer noch guten Preis-Leistungsverhältnissen sollten auch Studierende an den Hochschulen der Polizei eine Anschaffung in Erwägung ziehen – es wäre eine lohnende Investition!
Prof. Dr. Jürgen Vahle, Bielefeld
Forschungsarbeit zur Geheimen Feldpolizei
Eberhard Stegerer, Die Geheime Feldpolizei im „Dritten Reich“ 1939 – 1945 – Sicherheits- und Abwehrpolizei der Wehrmacht und deren Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit 1941–1944 in der Sowjetunion u.a., Cuvillier Verlag 2022, 590 S., Softcover, 89,88 Euro.
Mit der Monographie zur Geheimen Feldpolizei (GFP) schließt Stegerer eine wichtige Forschungslücke der deutschen Kriegs- und Nachkriegsgeschichte. Ähnlich der Wehrmacht umgab die Rolle der GFP lange Zeit der Mantel des Schweigens, Verdrängens und Vergessens und mussten die zahlreich verübten Gräueltaten mühsam in Fokus der Öffentlichkeit gebracht werden, was leider oftmals erst in einer historischen Betrachtung gelang, so dass die Geheime Feldpolizei wie auch die Wehrmacht nach Kriegsende vom „Internationalen Militärtribunal“ nicht als „verbrecherische Organisation“ eingestuft wurden und die Täter der GFP zumindest in Westdeutschland unbehelligt blieben. Dies ungeachtet der Tatsache, dass zahlreiche Belege für die verübten Kriegsverbrechen vorhanden waren und eine Anklage wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg erfolgte. Zwar nahm 1958 die im gleichen Jahr gegründete „Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ ihre Arbeit auf und entlarvte nach und nach das Bild der „sauberen Wehrmacht“ als Mythos – auch durch ihre Untersuchungen zur GFP. Doch führte dies trotz der Ermittlungen auch gegen Angehörige der GFP nicht zu entsprechenden Verurteilungen.
Bereits zu Beginn des Werkes werden durch die Darstellung der Niederschriften des Feldpolizeisekretärs Schmidt, den Auftrag der und die Personalgewinnung für die GFP deutlich, dass von der GFP zu verantwortende Kriegsverbrechen weiter verbreitet sein mussten als gemeinhin angenommen. So stellt der Autor fest, dass der ursprüngliche Auftrag, im Wesentlichen die Bekämpfung von Spionage und Sabotage und sonstiger Störung der Kriegsführung „... beim Aufbau der Wehrmacht nach 1935 so nicht mehr zutreffend [war]. ... die GFP ... die Tätigkeit der Gestapo im Rahmen der Wehrmacht auf allen Gebieten fortsetzen sollte.“ Mit Darlegung des Forschungsstandes macht Stegerer deutlich, dass „... die GFP wie auch die Feldgendarmerie, als nicht hinreichend erforscht gelten ...“ und formuliert infolge dessen das Ziel seiner Arbeit: Die Aufklärung der Organisation „Geheime Feldpolizei“ und ihre Rolle im zweiten Weltkrieg, insbesondere die Vorschriftenlage nach dem erfolgten Einmarsch in Österreich, die Einbettung der GFP in das NS-Herrschaftssystem in Abgrenzung zu anderen Organisationen, die Entwicklung der GFP während des zweiten Weltkriegs und die Frage, inwieweit die GFP an Kriegsverbrechen beteiligt war und wie diese in der Nachkriegszeit aufbereitet wurden.
Im zweiten Kapitel wird die GFP im Verlauf des zweiten Weltkriegs in ihrer wechselvollen Entwicklung chronologisch betrachtet und in ihrem Verhältnis zu anderen Organisationen wie dem Reichssicherheitsdienst aber auch sonstiger polizeilicher Organisationen abgegrenzt. Dabei wird deutlich, dass die Entwicklung der GFP von zahlreichen Aspekten – nicht zuletzt dem Kriegsverlauf – beeinflusst war. Das Kapitel schließt mit einer Betrachtung der Einsätze der GFP bei den Feldzügen gegen Polen und Frankreich.
Dem Einsatz im Krieg gegen die Sowjetunion und auf anderen besetzten Gebieten ist ein eigenes Kapitel gewidmet, sowohl dem historischen Verlauf folgend aber auch aufgrund der Tatsache, dass sich der Einsatz in diesem Kontext fundamental von den zuvor dargestellten Einsätzen z. B. hinsichtlich der Partisanenbekämpfung unterschied und es hier in erheblicherem Maße zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen durch die GFP kam.
Stegerer arbeitet weiterhin heraus, dass die GFP gegen Ende des Krieges zunehmend zur Stabilisierung der NS-Kriegsherrschaft gegen Deserteure eingesetzt wurde und zur großen Anzahl zum Tode verurteilter Wehrmachtsangehöriger beitrug. Die Betrachtung der juristischen Aufbereitung der NS-Terrorherrschaft schließlich erfolgt ebenso gewissenhaft wie die vorherigen Arbeiten und lassen deutlich einen mangelnden Strafverfolgungswillen, in dessen Folge ehemalige Führungskräfte der GFP nach Kriegsende wieder in deutschen Polizei- und Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern tätig wurden und z. T. höherrangige Positionen einnahmen, erkennen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen zur Wiederverwendung ehemaliger GFP-Führungskräfte ergänzt der Autor bereits vorliegende Forschungsergebnisse und beleuchtet ein Stück unrühmlicher deutscher Nachkriegsgeschichte.
Dem Autor ist es in bewundernswerter Weise gelungen, aus der Vielzahl zur Verfügung stehender und dennoch oftmals nur bruchstückhaft Zeugnis gebender Quellen, die GFP in ihrem beständigen Wandel während des zweiten Weltkrieges akribisch nachzuvollziehen und trotz weiterhin bestehender Lücken ein weitgehend geschlossenes Bild von der Organisation, ihren Angehörigen, ihrer Entwicklung, Verantwortung und Stellung im NS-Herrschaftssystem sowie ihren im Kriegsverlauf und in den einzelnen Einsatzorten wechselhaften Aufträgen nachzuzeichnen.
Er leistet damit einen erheblichen Beitrag zur weiteren Aufklärung der Kriegsgeschehnisse seit 1939 aber auch der deutschen Nachkriegszeit, der zum Verständnis historisch gewachsener und bis in die Gegenwart wirksamer Konfliktlinien in der deutschen Gesellschaft beitragen.
Joachim Faßbender