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Erinnern und Gedenken

Editorial der Ausgabe Juni 2021

Verehrte Leserinnen und Leser,

vor 50 Jahren, im April 1971, trat die „Baader-Meinhof-Bande“ erstmals als sich selbst so bezeichnende „RAF“ mit ihrem Strategiepapier „Stadtguerilla“ an die Öffentlichkeit. Im gleichen Jahr wurden die Polizeibeamten Norbert Schmidt und Herbert Schoner ihre ersten Mordopfer. In Wiesenbach bei Heidelberg hatte am 24. Juni 1971 der Polizeibeamte Engelbert Brand mehr Glück. Er erlitt nur einen Schulterdurchschuss, den er überlebte. Die Ermittlungen führten zum „Sozialistischen Patientenkollektiv Heidelberg (SPK)“, das sich in kürzester Zeit zu einer kriminellen Vereinigung sowie zu einem Rekrutierungsbecken und einer Kaderschmiede für Linksterroristen entwickelt hatte (zur RAF siehe Dr. Harald Bergsdorf, zum SPK Bernd Fuchs).

Vor 40 Jahren galt die „Wehrsportgruppe Hoffmann“ als Keimzelle und Durchlaufstation des Rechtsterrorismus. Ein ehemaliges Mitglied verübte 1980 den Anschlag auf das Münchener Oktoberfest, und der Vizechef ermordete kurz vor Weihnachten den Rabbiner Shlomo Lewin und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke.

Vor 30 Jahren, am 1. April 1991, tötete ein Heckenschütze den Chef der Treuhandanstalt, Detlev Carsten Rohwedder, in seinem Haus in Düsseldorf. Die RAF bekannte sich zu dieser Tat.

Vor 20 Jahren, am 11. September 2001, wurden die USA mit den Anschlägen des islamistischen Terrornetzwerkes al-Qaida mit über 3000 Toten bis ins Mark getroffen.

Vor 10 Jahren, am 4.11.2011, brachte ein brennendes Wohnmobil in Eisenach die Ermittler auf die Spur des „Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)“. Neun Menschen mit ausländischen Wurzeln und eine Polizeibeamtin wurden getötet.

Wer sich Jahrestagen widmet und ihrer gedenkt, beschäftigt sich mit der Vergangenheit. Eine Erinnerungskultur ist wichtig, denn nichts ist natürlicher als das Vergessen. Umso bedeutsamer wird ein Vergleich mit der Gegenwart und ein prognostischer Blick in die Zukunft. Überlegungen, aus der Vergangenheit für die Zukunft Lehren zu ziehen oder langfristige Entscheidungen beispielsweise auf Analysen von Denkfabriken zu gründen, sind derzeit speziell im politischen Gefüge Deutschlands eher lästig, vor allem, wenn sie der eigenen Position widersprechen. Der vor 250 Jahren geborene Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel hatte es so ausgedrückt: „Wir lernen aus der Geschichte, dass wir überhaupt nichts lernen.“

Vor 70 Jahren wurde Elisabeth Trube-Becker erste Professorin für Rechtsmedizin in Deutschland. Ihr Lebenswerk war die Erforschung und Bekämpfung von Gewalt gegen Kindern. Joseph Weisbrod erinnert an die umtriebige Ärztin und Kämpferin für die Kinderrechte, die nicht nur im Kriminalistik-Verlag ein renommiertes Fachbuch, sondern auch viele Artikel in der „Kriminalistik“ veröffentlicht hatte.

Auch Ihre „Kriminalistik“ hat Grund zum Feiern. Sie erscheint im 75. Jahrgang. Ein Jubiläum, das Verlag und Redaktion mit Dankbarkeit und Vorfreude auf die Zukunft erfüllt!

Ihr
Bernd Fuchs
Chefredakteur


Verlag C.F. Müller

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